Pflegepersonal ist zufriedener – obwohl es mehr Arbeit hat

Wer redet da dauernd von Notstand? Angestellte in der Pflege äussern sich zunehmend positiv zu ihrer Arbeit. Auch wenn die Belastung steigt.

, 16. April 2025 um 12:38
image
Stimmt das Bild wirklich? Schauspielerin Leonie Benesch im Film «Heldin»  |  Bild: Filmcoopi.
Seit der Corona-Pandemie nimmt die Zufriedenheit des Pflegepersonals in Schweizer Spitälern stetig zu. Auch diesmal stieg der Wert leicht, er kletterte von 73 Prozent im Jahr 2023 auf 74,2 Prozent im letzten Jahr – womit er sich wieder auf dem Niveau während der ersten Covid-19-Welle befand. Damals lag die Zufriedenheit bei 74,3 Prozent.
Das ist eines der Resultate des neuen Spitalpflegereports; die Studie basiert auf der Befragung von rund 3'600 Pflegefachpersonen aus 28 Schweizer Spitälern.
Doch weshalb äussern sich die Befragten mehrheitlich zufrieden mit der Arbeit? Welche positiven Faktoren werden vor allem genannt? Am häufigsten gelobt wird:
  • ein umfangreiches Weiterbildungsangebot,
  • eine kooperative Teamkultur,
  • Entscheidungsfreiräume,
  • und ein hoher Innovationsfokus.

Lohnzufriedenheit leicht gestiegen

Auch die Zufriedenheit mit der Entlöhnung verbesserte sich im Vergleich zu 2023 leicht, liegt jedoch immer noch 7,3 Prozent unter dem Niveau vor der Pandemie.

image
Quelle: Pflegereport 2024

Mehr Personal will Beruf treu bleiben

Gestiegen ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass man in zwei oder in fünf Jahren noch im Beruf arbeitet. Der liegt aber immer noch rund 4 Prozent tiefer als vor der Pandemie.

image
Quelle: Pflegereport

Wichtig: Resilienz stärken

Die Pflegefachpersonen empfinden ihr Arbeitsumfeld grundsätzlich als gut geeignet, um sich an unvorhersehbare Ereignisse anzupassen und diese schnell und effektiv unter Kontrolle zu bringen.
Das Pflegepersonal bezeichnet denn auch die emotionale Erschöpfung und den Zeitdruck als tiefer als im vorangegangenen Jahr. Doch die Arbeitsbelastung steigt: Zwei Drittel der Befragten gaben an, dass sie im Vergleich zum Jahr 2023 grösser geworden sei. Zu einer gestiegenen Arbeitsbelastung trugen vor allem Personalwechsel und Umstrukturierungen von Abteilungen bei – etwa die Zusammenlegung oder eine Reduktion der Bettenzahl.

Weniger bereit für zusätzliche Einsätze

Ausserdem geht die Einsatzbereitschaft – zum Beispiel Freitage zu verschieben oder bei Personalmangel einzuspringen – seit der vierten und fünften Covid-19-Welle zurück (minus 6,7 Prozent). Studien-Coautor Markus Arnold empfiehlt, die Resilienz des Pflegepersonals mit einem stabilen und unterstützenden Arbeitsumfeld zu stärken. «Ist die Resilienz gestärkt, steigt sowohl die Arbeitszufriedenheit um rund 7 Prozent als auch die langfristige Verbleibsabsicht um etwa 12,5 Prozent», so der Berner Forscher.

«Beunruhigende Entwicklung»

Etwa ein Drittel des Pflegepersonals gab an, den eigenen Ansprüchen an eine gute Pflege mehrheitlich nicht gerecht werden zu können. Ähnliches gilt für das Erfüllen der individuellen Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten.
Das beunruhigt die Autoren des Reports: «Das Gefühl, den Ansprüchen – sind es nun die eigenen oder die der Patientinnen und Patienten – nicht gerecht zu werden, führt langfristig zu Unzufriedenheit oder zu Desensibilisierung, was wiederum zum Verlassen des Berufs führen kann», erklärt Co-Autorein Lynn Selhofer. Das zeige sich in den Daten: Wer angibt, den Ansprüchen gerecht zu werden, ist im Schnitt 15 Prozent zufriedener. Und in dieser Gruppe ist es auch 10 Prozent wahrscheinlicher, dass man in fünf Jahren noch im selben Beruf arbeitet.

Digitalisierung: Nur mässig nützlich

Knapp 95 Prozent der befragten Pflegefachpersonen gaben an, dass es an ihrem Arbeitsort ein digitales Pflegedokumentationssystem gebe – das entspricht einer Zunahme von 5 Prozent gegenüber 2023. Doch dessen Nützlichkeit wird als nur durchschnittlich eingestuft.
Besonders bei kleinen und mittelgrossen Spitälern wird die Ausschöpfung des digitalen Potenzials in der Abteilung sogar noch niedriger eingeschätzt als im Vorjahr.

image
Quelle: Pflegereport

In grossen und mittelgrossen Spitälern fühlten sich zwei Drittel der Pflegefachpersonen kompetent im Umgang mit digitalen Systemen. In kleinen Spitälern sind es nur 47 Prozent. «Die Spitäler haben nach wie vor Aufholbedarf, wenn es um die Digitalisierung geht. In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, die Kompetenzen des Pflegepersonals zu stärken», fasst Arthur Posch zusammen.

Der Spitalpflegereport

Im Sommer und Herbst 2024 befragten Markus Arnold, Arthur Posch und Lynn Selhofer vom Institut für Unternehmensrechnung und Controlling (IUC) der Universität Bern rund 3600 Pflegefachpersonen aus 28 Schweizer Spitälern. 2024 standen Resilienz, die Bedeutung persönlicher Ansprüche und der Stand der Digitalisierung im Mittelpunkt.
Die Befragung vor gut einem Jahr ergab, dass sich das Pflegepersonal weniger gestresst fühlt, dass es aber mehr Überstunden leistet.
Der Spitalpflegereport Schweiz ist ein Forschungsprogramm, bei dem Markus Arnold und Arthur Posch in enger Kooperation mit Schweizer Spitälern seit 2019 regelmässig die Arbeitssituation von Pflegefachpersonen untersuchen. Der Spitalpflegereport Schweiz ist Teil des mehrjährigen Forschungsprojektes «An Integrated Perspective on the Role of Nursing in Knowledge Translation». Das Projekt wird vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) gefördert. Seit September 2021 ist Lynn Selhofer beim Spitalpflegereport dabei.


  • pflege
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

USZ: Neuer Bereichsleiter der stationären Pflege

Oliver Röpke übernimmt Anfang Juni 2025 die Leitung der stationären Pflege am Universitätsspital Zürich.

image

Förderung der Pflegeausbildung: Ein Vergleich der Kantone

Die Pflegeinitiative ist beschlossen – und bei der Umsetzung regiert der Föderalismus. Eine neue Übersicht zeigt, wie sich die Beiträge zur Ausbildung kantonal unterscheiden.

image

Pflege im Fokus: Zentralschweizer Spitäler starten Video-Kampagne

Die Spitäler der Zentralschweiz lancieren eine Video-Kampagne, in der Pflegende selbst Regie führen.

image

Was tun gegen die Personalnot? Mehr Macht für die Pflege.

In Frankreich werden die Kompetenzen der Pflegefachleute bald drastisch erweitert. Die Nationalversammlung hat ein entsprechendes Gesetz durchgewunken – einstimmig.

image

Covid: Eine Patentlösung für Pflegeheime gab es nicht

Die Pflegeheime standen in der Pandemie an vorderster Front. In Genf ging nun eine Studie der Frage nach: Was hätten sie besser machen können?

image

Pflege plus Integration: Freiburg startet Pilotprojekt

Der Kanton reagiert auf den Pflegepersonal-Mangel mit einer Spezial-Ausbildung: Sie verbindet Sprachunterricht mit beruflichem Einstieg in Pflegeheimen.

Vom gleichen Autor

image

Espenmoos, AFG Arena, Kybunpark – und jetzt Berit-Stadion?

Die Berit-Klinik ist die neue Namensgeberin fürs Stadion St. Gallen. Der genaue Name wird gemeinsam mit dem FC St. Gallen und den Fans festgelegt.

image

Zweitgrösstes Berner Spital legt beträchtlich zu

Nach einem schweren 2023 hat sich die Lindenhofgruppe gut erholt: Sie ist wieder in den schwarzen Zahlen und hat mehr Patienten behandelt.

image

Spital hilft seinem Arzt nach Verurteilung

Der Arzt, der verurteilt wurde, weil er eine Patientin nicht genug überwacht habe, zieht das Urteil weiter. Das Spital unterstützt ihn dabei.