Organspende nach Suizidhilfe: SAMW will breite Debatte

Die Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften greift die ethischen, rechtlichen und organisatorischen Fragen auf – zumal für das Gesundheitspersonal.

, 10. Juli 2025 um 04:00
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Sterbehilfe als ethisch überladene Frage: Schauspielerinnen Tilda Swinton und Julianne Moore in «The Room Next Door»  |  Bild: Warner Bros.
Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) hat eine wegweisende Stellungnahme zur Organspende nach assistiertem Suizid veröffentlicht.
Der medizinethisch und rechtlich sensible Bereich wirft laut der Zentralen Ethikkommission (ZEK) zahlreiche neue Fragen auf – insbesondere zur Autonomie der Patientinnen und Patienten und zum Selbstverständnis des medizinischen Personals.
Einige Spitäler erhalten zunehmend Anfragen von Personen, die ihre Organe nach einem assistierten Suizid spenden möchten. Medizinisch handelt es sich dabei um eine Organspende nach Kreislaufstillstand («Donation after Circulatory Death», DCD).
Voraussetzung ist, dass sich die suizidwillige Person das Sterbemittel Natrium-Pentobarbital selbst verabreicht und der Tod im Spital unter klar definierten Bedingungen festgestellt wird. Dies erfordert die Präsenz von Fachpersonal sowie eine vorgängige Absprache mit der Staatsanwaltschaft.

Warnung vor Interessenskonflikten

Die ZEK betont, dass eine Organspende nach Suizidhilfe grundsätzlich eine besonders klare Form autonomer Entscheidung darstellen kann – im Gegensatz zu mutmasslichem Patientenwillen in anderen postmortalen Situationen.
Gleichzeitig warnt die Kommission vor möglichen Interessenskonflikten: Die Aussicht, mit dem eigenen Tod noch Gutes zu bewirken, könnte bei vulnerablen Personen den Wunsch nach einem Suizid verstärken – etwa bei schwer Kranken, psychisch Erkrankten, Jugendlichen oder Gefängnisinsassen.
«Allein die Information über die Möglichkeit, den Suizid mit einer Organspende zu kombinieren, kann die Autonomie der Suizidentscheidung untergraben.»
Mit der Praxis einer Organspende nach Suizid würde sich auch das Berufsbild von Ärztinnen und Ärzten und Pflegenden verändern. Die ZEK stellt klar: Suizidhilfe bleibt keine genuin medizinische Aufgabe. Die Durchführung darf nicht zur Pflicht werden – auch nicht indirekt durch den entstehenden gesellschaftlichen oder organisatorischen Druck.

Gesellschaftliche Fragen dringend klären

Die Stellungnahme schliesst mit einem Aufruf zum Dialog: Die Verbindung von Suizidhilfe und Organspende könne das Vertrauen in Spitäler und Gesundheitsberufe verändern. Auch müsse diskutiert werden, wie sich eine Praxis auswirkt, die höchstpersönliche Entscheidungen mit Nützlichkeitserwägungen verknüpft.
➡️ Fazit der ZEK: Eine Umsetzung der Organspende nach Suizidhilfe in der Schweiz erscheint denkbar – aber nur nach gründlicher rechtlicher, organisatorischer und gesellschaftlicher Klärung.
  • Zur Stellungnahme der SAMW

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