No Show: Strafgebühr oder bessere Erinnerungssysteme?

In Deutschland wird erneut eine Strafgebühr für Arzt-Termin-Schwänzer gefordert. Wie ist die Situation in der Schweiz? Medinside hat sich umgehört.

, 28. April 2025 um 07:30
letzte Aktualisierung: 22. Juli 2025 um 07:30
image
Symbolbild:>Unsplash
Wer einen Arzttermin vereinbart, aber nicht erscheint, verursacht Leerläufe – und sorgt zunehmend für Ärger. In Deutschland ist die Diskussion um Strafgebühren für Termin-Schwänzer erneut entbrannt. Ärztevertreter fordern eine Ausfallgebühr von zehn bis 20 Euro, die von den Krankenkassen übernommen werden soll. Hintergrund ist die steigende Zahl versäumter Termine: Laut Andreas Gassen, Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), bleiben inzwischen zehn bis 20 Prozent der gebuchten Arzttermine ungenutzt.
Auch in der Schweiz stellt das Nichterscheinen ohne Absage ein wachsendes Problem dar – offizielle Zahlen fehlen jedoch.
Eine nicht repräsentative Umfrage von Medinside auf LinkedIn mit 431 Teilnehmenden zeigt jedoch: 62 Prozent von ihnen sprechen sich für eine Strafgebühr aus, 30 Prozent plädieren für bessere Erinnerungssysteme.

Kulanz oder klare Regeln?

In der Schweiz gehen Fachpersonen unterschiedlich mit versäumten Terminen um. Martin Werner von DocGoSwiss etwa mahnt zur Zurückhaltung: «Ich wäre zunächst gegen Sanktionen. Es ist ein grosser Aufwand, diese einzufordern. Bessere Kommunikation und Online-Terminplattformen helfen mehr.»
Der Pflegefachmann Markus Messerschmidt beschreibt ein abgestuftes Vorgehen:
  • Beim ersten verpassten Termin oder bei Krankheit Kulanz zeigen,
  • spätestens ab dem zweiten Mal die aufgewendete Arbeitszeit (z.B. Aktenstudium) in Rechnung stellen. Zusätzlich auf Erinnerungs-SMS oder Anrufe am Vortag setzen.
Der Gastroenterologe Roger Wanner bestätigt diesen Ansatz: «Besonders ärgerlich ist es, wenn Patienten nicht zur Endoskopie kommen – da warten oft drei Fachkräfte vergeblich.» Auch er stellt bei kurzfristigen Absagen eine Pauschale in Rechnung, zeigt sich aber kulant, wenn der Grund nachvollziehbar ist.
Ein anderer Kommentator bringt es auf den Punkt: «Reservierte Zeit kostet – wer sie nicht nutzt, leistet sich einen Luxus, den er bezahlen darf.» Dabei gehe es nicht um Bestrafung, sondern um den respektvollen Umgang mit Ressourcen.

Strafgebühr als letztes Mittel

In einigen Institutionen wird bei Wiederholungstätern mittlerweile eine Strafgebühr angewendet – allerdings mit Widerwillen. Vergessliche oder demente Patienten werden hingegen kulant behandelt, oft wird versucht, sie zusätzlich telefonisch an Termine zu erinnern.
Der Tenor vieler Fachpersonen: Automatisierte Erinnerungen, kombiniert mit fairen Ausfallregelungen bei wiederholtem Nichterscheinen, könnten helfen, Terminversäumnisse zu reduzieren, ohne das Vertrauensverhältnis zu gefährden.

 


Fazit

Verpasste Arzttermine belasten das Gesundheitswesen – doch reine Strafgebühren greifen zu kurz. Viele Fachpersonen setzen deshalb auf eine Kombination aus Kulanz, klarer Kommunikation und gezielter Sanktionierung bei wiederholtem Fehlverhalten. Im Mittelpunkt steht der respektvolle Umgang mit der knappen Ressource «Behandlungszeit» und die Sicherstellung einer flexiblen Versorgung.
Dass sich in Deutschland eine generelle Strafgebühr durchsetzen wird, gilt als unwahrscheinlich: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), Patientenschützer und Gewerkschaften haben die Forderung bereits scharf kritisiert. Hinzu kommt: Eine Ausfallgebühr, die von der Krankenkasse übernommen wird, verfehlt letztlich ihren Zweck – denn sie würde die Verantwortung von den Patienten auf das System verlagern.
    Artikel teilen

    Loading

    Kommentar

    Mehr zum Thema

    image

    Stadt Zürich: Neue Vizedirektorin für Gesundheitsdienste

    Der Stadtrat hat Verena Houben zur stellvertretenden Direktorin der Städtischen Gesundheitsdienste Zürich ernannt.

    image

    Datenleck bei Hirslanden Zürich: Es war menschliches Fehlverhalten - kein IT-Problem

    Ein Hirslanden-Belegarzt gab seine Login-Daten zu den Patientenakten weiter. Die Zugriffsrechte von Belegärzten seien aber kein grundsätzliches Problem, betont der Hirslanden-Sprecher.

    image

    Lindenhof gibt Spitalstandort Engeried auf

    Grosser Umbau in der Berner Lindenhofgruppe: Im Engeried gibt es künftig nur noch ambulante Radiologie und Arztpraxen. Der Rest wird an den Lindenhof und an den Sonnenhof verlegt.

    image

    Michael Osthoff wird neuer Stiftungsrat im See-Spital

    Das See-Spital erhält einen neuen Stiftungsrat: Michael Osthoff, Chefarzt in Winterthur, wird Nachfolger des zurücktretenden Walter Reinhart.

    image

    Darum haben Dermatologie-Kliniken so grossen Erfolg

    Die Zahl der dermatologischen Kliniken wächst schnell. Die Gründe für den Erfolg von Skinmed, Delc, Dermis und DKZ.

    image

    VITREA leistet Pionierarbeit für Menschen mit Rückenmarkverletzung in Europa

    Die VITREA Gruppe, einer der führenden europäischen Anbieter für Rehabilitation, führt als erste Rehagruppe in Europa die ARC-EX-Therapie von ONWARD Medical ein.

    Vom gleichen Autor

    image

    Spitalverband H+ übt Kritik an Agenda Grundversorgung

    Der Spitalverband H+ beurteilt den Fachbericht zur Agenda Grundversorgung kritisch. Aus Sicht des Verbands werden Spitäler und Kliniken in der Strategie zu wenig berücksichtigt

    image

    Neubesetzungen im Verwaltungsrat des USB

    Das Universitätsspital Basel hat zwei neue Verwaltungsräte: Andreas C. Albrecht und Christoph Jäggi folgen auf Bruno Dallo und Silvia Schenker.

    image

    Pflegezentrum Baden: Neuer Direktor kommt vom Kanton

    Olivier Gerber ist derzeit Leiter der Abteilung Gesundheit des Kantons Aargau. Er übernimmt die Direktion von Hans Schwendeler.