Weisser Kittel: Ja, nein, vielleicht? Eine Übersichtsstudie nach, die soeben im BMJ veröffentlicht wurde, ging wieder mal dieser Frage nach. Wie ist der Einfluss der Kleidung auf das Arzt-Patient-Verhältnis in diversen klinischen Kontexten? Janghyeon Kim et al. erfassten dies anhand von 28 Studien, die von Januar 2015 bis Juni 2025 erschienen waren. Sie stammten unter anderem aus den USA, Japan, China oder Deutschland; mit dabei war zudem eine Erhebung, die 2019 am Universitätsspital Zürich durchgeführt worden war.
Das Ergebnis ist recht schillernd (was angesichts der diversen beachteten Kulturkreise nicht weiter erstaunt). Doch die Übersichtsarbeit zeigt auch bemerkenswerte Präferenzen.
- Im ambulanten Bereich und in der Grundversorgung deuteten einige Studien an, dass eine Mischung aus legerer Kleidung und weissem Kittel als sympathisch gilt – und damit auch förderlich für die Kommunikation sein dürfte. Der Befund ist jedoch insgesamt uneinheitlich.
- In Settings mit höherer Dringlichkeit – also im Notfall oder in der Chirurgie – sind OP-Kleider («Scrubs») den Patienten viel wichtiger: Sie signalisieren offenbar Professionalität und akute Einsatzbereitschaft.
- In den Fachbereichen Dermatologie, Neurochirurgie und Ophthalmologie schätzen die Patienten den weissen Kittel höher ein. In Anästhesiologie und Gastroenterologie dominierten Scrubs als meistrespektierte Dienstkleidung.
- Auch in der Covid-19-Phase wurden «Scrubs» und sonstige persönliche Schutzausrüstung von den Patienten höher eingeschätzt: Hygiene und Infektionsprävention waren nun wichtige(re) Anliegen als davor und danach.
- Männliche Ärzte wurden tendenziell als professioneller wahrgenommen, wenn sie formelle Kleidung und den weissen Ärztekittel trugen. Dagegen wurden Ärztinnen in vergleichbarer Kleidung oft fälschlicherweise als Pflegefachfrauen oder Assistentinnen identifiziert.
«Die Erwartungen an die Bekleidung sind oft geschlechtsspezifisch, was sich insbesondere auf die Anerkennung und den Respekt gegenüber Ärztinnen auswirkt», schreibt das Autorenteam aus Südkorea und China. Wichtig seien daher «institutionelle Initiativen, die darauf abzielen, Vorurteile abzubauen und eine faire Wahrnehmung bei den Patienten zu fördern.»
Insgesamt bestätigt der neue Querblick die Erfahrung, dass die ärztliche Kleidung einen gewissen Einfluss hat: Sie trägt dazu bei, ob jemand als professionell und vertrauenswürdig empfunden wird, und sie beeinflusst die Kommunikation. «Die gesammelten Ergebnisse liefern überzeugende Beweise dafür, dass diese Wahrnehmungen stark kontextabhängig sind und dass anpassbare, auf die klinische Umgebung und die Erwartungen der Patienten zugeschnittene Kleiderordnungen erforderlich sind, um das Vertrauen und die Patientenzufriedenheit zu stärken», so eine 'Conclusion'.
Die Schweizer Studie, die Eingang fand in die neue Übersichtsarbeit, war 2019 unter der Leitung von Hugo Sax (USZ-Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene) durchgeführt worden. Dabei wurden 834 ambulante Patienten befragt.
Unter allen Vorschlägen, die den Patienten mit Bildern gezeigt wurden, erhielt die Kombination aus weissem OP-Kasack und weissem Kittel die höchste Bewertung, während der Business-Anzug die schlechtesten Noten erhielt. Die Vorlieben schwankten je nach demografischen Merkmalen der Befragten und je nach dem klinischen Umfeld. Befragte ab 65 Jahren gaben zum Beispiel öfter an, dass ihnen die Kleidung des Arztes wichtig sei und ihre Zufriedenheit mit der Behandlung beeinflusse.
- Marc Zollinger, Nathan Houchens, Vineet Chopra, Lauren Clack, Peter Werner Schreiber, Latoya Kuhn, Ashley Snyder, Sanjay Saint, Christopher M. Petrilli, Hugo Sax: «Understanding patient preference for physician attire in ambulatory clinics: a cross-sectional observational study», in: «BMJ Open», Juli 2025.
- doi: 10.1136/bmjopen-2018-026009