Nachgefragt bei Christian Greis, Dermatologe am Universitätsspital Zürich USZ
Worin sehen Sie die hauptsächlichen Vorteile der KI?
Durch die Unterstützung von KI können Prozesse vereinfacht und eine Verbesserung der diagnostischen Genauigkeit erreicht werden. KI eignet sich in unserem Fachgebiet sehr gut, um etwa den Schweregrad oder die Ausdehnung von Läsionen zu bewerten. Auch in der Spracherkennung ist KI äusserts hilfreich, etwa beim Diktieren der Arztberichte.
Wie steht es um die erhoffte Zeitersparnis?
Wenn man KI richtig einsetzt, kann diese zu deutlicher Zeitersparnis führen. Nebst der angesprochenen Spracherkennung beim Diktieren von Berichten, können neuartige KI-Modelle (vgl. z.B. Chat-GPT) bereits eigens krankheitsspezifische Arztberichte erstellen, die dann nur noch Korrektur gelesen werden müssen. Auch bei der Flächenausmessung von Hauterkrankungen zur Bestimmung des Schweregrades kann KI innert Sekunden und sehr präzise unterstützen.
Wie gross ist die Bereitschaft der Ärzteschaft, sich mit KI auseinanderzusetzen?
Anfänglich war eine gewisse Skepsis im Sinne von ‘bin ich als Dermatologe irgendwann überflüssig’ spürbar. Inzwischen ist bei der Ärzteschaft aber eine positive Haltung gegenüber KI vorhanden und der Nutzen durch KI ersichtlich. Die künstliche Intelligenz kann Ärzte nicht ersetzen, aber unterstützen – und das müssen wir nutzen!
Ist KI überhaupt schon genügend im Klinikalltag integriert?
Jein. Es wird aktuell sehr viel geforscht auf dem Gebiet und spannende Pilotprojekte sind am Laufen. Im Klinikalltag angekommen und integriert ist es jedoch noch nicht genügend. In der Dermatologie wird die KI bereits flächendeckend in der Muttermal- bzw. Melanomdiagnostik eingesetzt.
Was müsste sich hier ändern?
Ein grosses Thema sind Regularien, insbesondere in Hinblick auf den Datenschutz, die die flächenmässige Nutzbarkeit KI-basierter Applikationen einschränkt. Datenschutz ist äusserst wichtig und wurde mit den neuerlichen Anpassungen der Datenschutzverordnung nochmals gestärkt. Nichtsdestotrotz - Länder mit weniger strengen Regularien und politischen Einschränkungen werden künftig in diesen Bereichen führend sein.
Das Interview erschien erstmals in leicht veränderter Form im Juni 2023