Die Gesamtnote ist weiterhin hervorragend: Dies die Kernaussage, die sich aus dem neuesten Gesundheits-Bericht der Industrieländerorganisation OECD ableiten lässt. Deren Studie «Health at a Glance» erscheint jeweils im Herbst und ist so etwas wie das Jahreszeugnis für die Gesundheitssysteme der 40 reichsten Länder der Erde.
Und das Zeugnis bestätigt, dass die Schweiz eine Musterschülerin ist bei der Erreichung der Ziele, die mit einem Gesundheitswesen angestrebt werden. Die Zufriedenheit der Bevölkerung ist im weltweiten Vergleich hoch – allerdings gilt dies auch für die Kosten.
Und so stellt sich wohl bloss die Frage, wie sehr sich dieses überdurchschnittliche Gesundheitswesen aufrechterhalten lässt, wenn die Bevölkerung weiter altert.
Die Schweiz im OECD-Vergleich: Das Gesamtbild in wichtigen Eckpunkten.
- Vermeidbare Todesfälle: Die Quote der Todesfälle bei vermeidbaren oder behandelbaren Erkrankungen ist im OECD-Vergleich enorm tief: Sie liegt bei 80 vermeidbaren Fällen auf 100’000 Personen – der OECD-Schnitt liegt bei 145. Hier schneidet nur noch Israel besser ab. Und bei den behandelbaren Fällen erreicht die Schweizer Quote 34 auf 100’000 Personen (bei einem OECD-Durchschnitt von 77). Das ist Platz eins vor Luxemburg und Südkorea.
- Lebenserwartung: Die Lebenserwartung in der Schweiz liegt nun bei 84,3 Jahren. Damit ist sie um 3,2 Jahre höher als im OECD-Durchschnitt.
- Sterblichkeit nach einem Herzinfarkt: In der Schweiz liegt die 30-Tage-Mortalität nach einem Heart Attack bei 6,2 Prozent – leicht besser als im OECD-Durchschnitt (6,5 Prozent). Allerdings: Bei den Hirnschlägen schneidet die Schweiz leicht unterdurchschnittlich ab. Die Mortalität innert 30 Tagen erreicht hier 7,9 Prozent (gegenüber 7,7 Prozent).
- Vermeidbare Spitaleinweisungen. Die Quote der vermeidbaren Spitaleinweisungen ist in der Schweiz leicht tiefer als im Gesamtschnitt, der Wert liegt bei 459 pro 100’000 Einwohner – verglichen mit 473 im OECD-Schnitt. Die «avoidable admissions» geben insbesondere auch Hinweise über die Qualität der Versorgung oder des Zuweisersystems; denn der Wert erfasst jene Spitalbehandlungen, die besser in anderen Institutionen durchgeführt worden wären.
- Selbsteinschätzung: Nur 4,4 Prozent der Menschen in der Schweiz bezeichnen ihren Gesundheitszustand als «schlecht» oder «sehr schlecht». Im OECD-Durchschnitt beklagen sich 8,0 Prozent darüber.
- Zufriedenheit: 89 Prozent der Befragten in der Schweiz erachten die Zugänglichkeit und die Qualität des Gesundheitswesen als genügend – gegenüber 64 Prozent im OECD-Schnitt. Und nur 1,3 Prozent berichten, dass Gesundheitsbedürfnisse nicht gedeckt seien – deutlich weniger als 3,4 Prozent im OECD-Schnitt.
- Übergewicht: Natürlich besteht das Zivilisations-Problem auch hierzulande. Die Schweiz gibt den Anteil der übergewichtigen Personen mit 12 Prozent an. Aber damit liegt das Land doch deutlich unter dem OECD-Durchschnittswert von 19 Prozent.
- Körperliche Aktivität: Die OECD-Studie wertete auch Umfragen zur Sportlichkeit aus (die weitgehend auf Selbstangaben basieren). Dabei sagten nur 22 Prozent aus, dass sie keine oder wenig sportliche Tätigkeiten ausüben. Im OECD-Schnitt lag der (Negativ-)Wert bei 30 Prozent. Interessanterweise sind die Schweizer etwas aktiver als die Schweizerinnen (wenn man den Selbstangaben trauen will).
- Gesundheitsausgaben I: Es ist schon weitherum bekannt (und bestätigt das Bild): Die Gesundheitsausgaben sind in der Schweiz mit knapp 10’000 Dollar pro Kopf massiv höher als im OECD-Schnitt (5’900 Dollar, jeweils kaufkraftbereinigt).
- Gesundheitsausgaben II: Die Gesundheit kostet in der Schweiz überdurchschnittlich viel. Der Anteil der Gesundheitsausgaben an der Gesamt-Wirtschaft (BIP) beträgt 11,8 Prozent, verglichen mit 9,3 Prozent im EU-Durchschnitt.
- Viele Ärztinnen und Ärzte: Die Ärztedichte liegt hierzulande bei 4,5 pro 1000 Personen. Das ist ein überdurchschnittlicher Wert, im OECD-Vergleich sind es 3,9 Prozent pro 1000 Personen. Allerdings weisen recht viele Länder noch eine höhere Ärztedichte auf als die Schweiz: Litauen, Bulgarien, Deutschland, Norwegen, Argentinien, Italien, Portugal, Griechenland.
- Viele ältere Ärzte: Hier zeichnet sich auch das bekannte Risiko ab – die Mediziner in der Schweiz sind tendenziell älter. Während im OECD-Schnitt 32 Prozent der Ärztinnen und Ärzte älter als 55 Jahre sind, liegt dieser Wert in der Schweiz bei 38 Prozent.
- Viel Pflege – oder doch nicht? Überaus gut versorgt ist die Schweiz laut der offiziellen OECD-Statistik mit Pflegepersonal: Auf 1000 Bewohner kommen 18,8 Nurses – der OECD-Durchschnitt ist mit 9,2 nur halb so hoch. Allerdings gibt es hier immer wieder Debatten über die Definition. Das Bundesamt für Statistik, auf dessen Angaben sich die OECD abstützt, zählt zu den rund 95’000 diplomierten Pflegefachpersonen gut 50’000 Pflegende ohne HF-Pflegediplom oder FH-Bachelor hinzu. In anderen Ländern werden teils ausschliesslich Pflegefachleute mit derartigen Abschlüssen einbezogen.
- Wirklich zuviele Spitalbetten? Die Quote der Spitalbetten liegt in der Schweiz bei 4,4 auf 1’000 Personen. Das ist ziemlich genau gleich hoch wie im OECD-Schnitt von 4,2. Interessant wäre hier wohl ein Blick auf die beiden asiatischen Industrienationen Japan und Korea: Dort werden Werte von 12,5 Spitalbetten pro 1’000 Personen erreicht.
- Medtech-Bastion. Die Schweiz verfügt über 72 CT-, MRI- und PET-Geräte pro Million Einwohner. Der OECD-Schnitt liegt bei 51. Der positive Ausreisser ist hier Japan mit sage und schreibe 184 solcher Geräte pro Million Menschen. In Europa weisen Griechenland, Italien und Deutschland noch eine etwas höhere «Imaging-Durchdringung» auf als die Schweiz.
- Prävention? Weniger wichtig. In der Schweiz fliessen 1,9 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben in die Prävention. Das ist doch deutlich weniger als im OECD-Durchschnitt (3,4 Prozent).