KI bei Schweizer Ärzten: Wissen schmal, Chancen gross, Regeln rar

Mehr als die Hälfte der Ärzteschaft fürchtet, dass KI-Tools wie ChatGPT das Fachwissen aushöhlen oder den Draht zu den Patienten verschlechtern. Doch viele sehen Chancen bei Dokumentation und Wissenszugang.

, 25. September 2025 um 22:38
letzte Aktualisierung: 13. November 2025 um 08:30
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KI-Symbolbild: Medinside (mit Midjourney)
Seien wir ehrlich: Die Ärztinnen und Ärzte nutzen eifrig ChatGPT – und da kommt es halt auch vor, dass die KI-Nutzung nicht immer ganz reglementskonform ist: So hört man es hinter vorgehaltener Hand.
Nun deutet auch eine neue Studie an, dass die Ärzteschaft noch ein eher unausgereiftes Verhältnis zur Zukunftstechnologie LLM hat. Für die Untersuchung befragte ein Team des Universitätsspitals Basel mittels anonymisiertem Fragebogen 685 Schweizer Ärztinnen und Ärzte aus 34 Fachrichtungen.
Die Erhebung wurde jetzt im «British Medical Journal» veröffentlicht, konkret: im «BMJ Health & Care Informatics». Ihre Absicht: herauszufinden, wie die Schweizer Ärzteschaft 2025 Large Language Models wie ChatGPT (oder verwandte KI-Tools) in der klinischen Praxis einsetzt; was die Ärzte darüber wissen; und wie sie den Nutzen oder die Risiken wahrnehmen.
  • Simon Bruno Egli, Armon Arpagaus, Simon Adrian Amacher, Sabina Hunziker, Stefano Bassetti: «Use, knowledge and perception of large language models in clinical practice: a cross-sectional mixed-methods survey among clinicians in Switzerland», in: «BMJ Health & Care Informatics», September 2025.
  • DOI: 10.1136/bmjhci-2025-101470
Ein knappes Drittel der Befragten gab an, LLMs regelmässig als Hilfsmittel einzusetzen, etwa für Recherchen, Formulierungen oder zur Entscheidunterstützung. E
Eher selten werden solche Tools in Praxen sowie Regionalspitälern genutzt, eher öfter in Unispitälern sowie insbesondere in der Forschung. Erwartungsgemäss ist ChatGPT das mit Abstand am häufigsten verwendete Angebot, selbst für den «Medical Use». Es folgen Bing (Microsoft) und Gemini (Google).
Auf der anderen Seite bedeutet des auch: Bislang scheinen nur sehr, sehr wenige Kliniker spezialisierte LLMs mit medizinischem Know-how zu nutzen.
Bei der Verwendung liegen die Schwerpunkte je nach Fachrichtung etwas anders: Intensiv- und Notfallmediziner nehmen die Tools mit Vorliebe zur Wissenserlangung. Bei den Internisten (und den benachbarten Spezialgebieten) werden sie eher zur klinischen Debatte und als Entscheidhilfen befragt.
Die grössten Chancen sichten die Ärztinnen und Ärzte in der Organisation: Dokumentation erledigen, Termine planen, Routinetätigkeiten – hier wittern 63 Prozent den wichtigsten Vorteil. Zudem werde KI wohl wichtig in der Datenauswertung (49 Prozent) sowie als rascher Zugang zu Wissen (30 Prozent).
«These findings suggest that while clinicians are experimenting with LLMs, many are aware of the current limitations. Whether this translates to responsible use is unclear.» | Aus der zitierten Studie.
So weit, so erwartbar. Eher speziell ist die Einschätzung der Risiken durch die Arbeit mit KI. Am häufigsten genannt (von 54 Prozent) wird dabei die Sorge, dass man durch KI an Kompetenz verlieren könnte – Fachwissen, praktische Fähigkeiten, Sprache, Kreativität. Ferner, dass die neue Technologie die Beziehung zu den Patienten verschlechtern könnte.
Die Risiken durch die Modelle selber wurden nicht ganz so häufig angeführt (51 Prozent) – gemeint sind damit beispielsweise Falschinformationen oder vor schiefe Auskünfte (Bias). Sicherheits-, Rechts- und Ethikrisiken – also insbesondere Datenschutzprobleme – geben 31 Prozent der Befragten zu denken.
Andererseits berichten erstaunlich wenige, dass es an ihrem Arbeitsplatz Richtlinien zum Einsatz solcher Tools gibt: Die Quote lag bei nur 6 Prozent.
«Leicht zugängliche Bildungsressourcen für Kliniker aller Ebenen und regelmässig aktualisierte Richtlinien für den Arbeitsplatz sind erforderlich, um die Implementierung von LL.M. zu erleichtern, Wissensunterschiede zu beseitigen und Schäden durch uninformierte Nutzung zu verhindern», schreiben Egli, Arpagaus et al. in der «Discussion». Insgesamt bestehe sicherlich noch viel Ausbildungsbedarf.

  • digital & ki
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