Zukunftsberuf: Doktor Algorithmus
Ein Team von Harvard-Medizinern schlägt in «Nature Digital Medicine» einen neuen Beruf vor: den «Algorithmic consultant». Das wäre ein Mediziner, der dazu ausgebildet ist, KI in die ärztliche Praxis zu übersetzen. Er berät zur KI-Auswahl, zur Interpretation der Ergebnisse (und auch zu den Grenzen der Künstlichen Intelligenz). Allerdings geben die Autoren zu bedenken, dass der «Algorithmic consultant»in einer späteren Phase wieder überflüssig wird – weil sein Know-how selbstverständlich wird.
Parkinson früh erkennen – am Lächeln
Eine Studie, die jüngst im NEJM AI veröffentlicht wurde, deutet an, dass das Lächeln genutzt werden kann, um Parkinson-Patienten zu erkennen: Die KI-Analyse des Gesichtsausdrucks von 1'452 Personen (darunter 391 mit Parkinson-Erkrankung) schaffte eine zuverlässige Unterscheidung von Parkinson-Patienten von gesunden Personen.
Die Methode nutzt Gesichtsmuskelsignale, die bei Parkinson oft verändert sind. Die Hoffnung ist, dass hier ein kostengünstiges und einfaches Screening-Werkzeug in der Frühdiagnose entstehen könnte. Allerdings sind weitere Tests notwendig, um die Genauigkeit in verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu bestätigen.
Gedanken steuern Roboter: Weitere Erfolgsmeldung
Forscher der UCLA haben einen Helm – beziehungsweise ein Gehirn-Computer-Interface – entwickelt, das mithilfe von KI die Absichten der Träger «versteht». Das System kombiniert Gehirnsignale mit einer KI, die über eine Kamera die Bewegungsabsicht erkennt und in Echtzeit umsetzt. In Tests lösten alle Probanden Aufgaben wie das Steuern eines Computer-Cursors oder das Bewegen von Objekten mit einem Roboterarm.
So schaffte ein gelähmter Teilnehmer eine Aufgabe mit dem BCI in etwa sechs Minuten – ohne KI war dies nicht möglich. Diese Entwicklung könnte Menschen mit Bewegungsstörungen wie Lähmungen oder ALS mehr Selbstständigkeit im Alltag ermöglichen.
Wollen Sie wissen, wie künftig Arztberichte entstehen und aussehen könnten?
OpenEvidence: Davon haben Sie wohl schon gehört. Die KI-basierte Plattform für medizinisches Wissen bietet Zugriff auf mehrere Millionen peer-reviewed Studien, etwa aus dem New England Journal of Medicine und dem JAMA Network. Es gilt als eine der am schnellsten wachsenden KI-Assistenzsysteme: Man gibt Symptome ein – und die Plattform schlägt dann Diagnosen vor, empfiehlt Behandlungen, verweist auf aktuelle Richtlinien.
Nun präsentierte OpenEvidence ein Programm, mit dem sich medizinische Berichte KI-generiert verfassen lassen, wobei zusätzlich aktuell recherchierte Fachliteratur verarbeitet; alles inklusive Schnittstellen zu Patientendossier, Laborwerten und externen Geräten.
Das Angebot ist (noch) nicht einsetzbar in Europa. Aber interessant ist es als Blick in die Zukunft. Eckpunkte dabei sind etwa: Während der Sprechstunde liefert das System in Echtzeit Informationen, sobald der Arzt Notizen einträgt – also beispielsweise relevante Leitlinien und Empfehlungen. Danach transkribiert das System das Gespräch und hilft bei der Formulierung des Beurteilung und der Therapieplanung. $
Vor allem: Am Ende leitet es alle Informationen ins Patientendossier weiter und baut sie dort strukturiert ein.
KI-Stethoskop erkennt Herzerkrankungen in nur 15 Sekunden
Ein Team des Imperial College London und des Medtech-Unternehmens
Eko Health hat ein KI-gestütztes Stethoskop entwickelt, das Herzinsuffizienz, Klappenerkrankungen oder Vorhofflimmern innert 15 Sekunden erkennen kann. In einem Feldversuch mit rund 12’000 symptomatischen Patienten wurden doppelt so viele Herzinsuffizienz-Diagnosen, dreimal so viele Vorhofflimmern-Fälle und fast doppelt so viele Klappenerkrankungen gemessen als bei herkömmlichen Methoden.
Die Daten (ECG + Herzgeräusche) werden cloudbasiert analysiert und per Smartphone zurückgespielt. Allerdings warnen die Autoren: Das Gerät taugt wenig Screenings bei symptomfreien Personen: Hier sei die Fehlerrate noch hoch.
Solo-Operation dank KI-gesteuerter Kamera
Bei einer Gallenblasenentfernung nutzte ein Chirurg in Santiago de Chile erstmals ein KI-gesteuertes Kamerasystem, welches die Position und Bewegung der chirurgischen Instrumente selbstständig verfolgte. Das heisst: Die Kamera folgte den Handlungen des Operateurs und hielt den Operationsbereich im Blick – es wurde kein Mensch benötigt, der manuell und von Auge die optimalen Winkel suchte.
Vielleicht lassen sich dadurch dereinst bestimmte Operationen mit kleineren Teams durchführen, so die Hoffnung.
Patienten sind aufgeschlossen…
Ein Team der Technischen Universität München hat rund 14’000 Patienten in 43 Ländern befragt, um die Haltung zur medizinischen Künstlichen Intelligenz zu ermitteln. Grundsätzlich äusserte sich eine Merhheit der Menschen positiv (58 Prozent), wobei Frauen leicht skeptischer waren. Wer angab, viel über KI zu wissen, zeigte sich zu über 80 Prozent positiv zu deren Einsatz.
Bemerkenswert: Je schlechter der Gesundheitszustand der Befragten, desto häufiger war die Haltung gegenüber medizinischer KI skeptisch. Grundsätzlich verlangen drei Viertel (73 Prozent) der Menschen, dass KI-Werkzeuge genutzt werden, aber die finale Entscheidung bei den Ärzten liegt.
… vielleicht sogar allzu aufgeschlossen
In Deutschland ergab eine repräsentative Umfrage, dass bereits ein Viertel der Bevölkerung zur Selbstdiagnose auf KI-Anwendungen zurückgreift. Dabei wird ChatGPT eifriger genutzt als die Diagnose-Hilfen und Symptomchecker von Krankenkassen beziehungsweise medizinischen Institutionen.
Laut der Befragung von 1’100 Erwachsenen, durchgeführt und veröffentlicht von der Beratungsfirma Deloitte, stieg der Anteil der KI-Selbst-Diagnostiker innert eines Jahres von 9 auf 25 Prozent.
Neuer Bluttest erkennt Eierstockkrebs früh
Eine
Firma aus Denver vermeldet, dass ihr Bluttest Eierstockkrebs mit einer Gesamtgenauigkeit von 92 Prozent sowie von 88 Prozent in Frühstadien (I + II) erkennen kann. Der Test nutzt Machine-Learning-Algorithmen zur Analyse multipler Biomarker im Blut: Sie wurden mit Tausenden von Patientenproben trainiert, um subtile Muster in den Lipiden und Proteinen zu erkennen, die auf Eierstockkrebs hindeuten. Getestet wurde dann mit knapp 900 Blutproben der Universitäten von Colorado in Denver und von Manchester.