Vor gut einem Jahr hat das Berner Inselspital das amerikanische IT-System Epic eingeführt. Nun will der Kanton, dass sich alle öffentlichen Spitäler an das neue System
anschliessen. Für die Privatspitäler wäre der Anschluss freiwillig.
Ein Spezialist für IT im Gesundheitswesen warnt. Und zwar mit deutlichen Worten. Das komme einer Teilverstaatlichung gleich und schränke die unternehmerische Freiheit der betroffenen Spitäler stark ein.
Indirekte Subventionen für Insel-Epic?
Er beurteilt das Vorhaben vor allem von der finanziellen Seite und äussert eine Vermutung: «Unter dem Deckmäntelchen der Digitalisierung möchte der Regierungsrat des Kantons Bern die absurd hohe Investition des Insel-Gruppe in ihr neues Klinikinformationssystem Epic subventionieren, indem die Berner Listenspitäler gezwungen werden ebenfalls mit EPIC zu arbeiten.»
Doch er glaubt nicht, dass dies funktionieren wird. Es würden zu viele Kosten in unbekannter Höhe anfallen, etwa die Projektkosten, Kosten für die Beschaffung und Kosten für die Migration.
Mindestens sieben Spitäler müssten auf Epic wechseln
Es wären mindestens sieben Spitäler, die Epic übernehmen müssten: das Psychiatriezentrum Münsingen (PZM), das Regionalspital Emmental, die Spitäler FMI, das Spital STS, das Spital Region Oberaargau, das Spitalzentrum Biel, die Universitären Psychiatrische Dienste Bern (UPD). Der Aufwand für diese Unternehmen wäre sehr hoch, prophezeit er.
Die Beispiele Insel und
Luzerner Kantonsspital vor fünf Jahren zeigen, dass die Einführung des Systems nicht nur viel kostet, sondern auch
vom Personal viel fordert. In der Insel mussten die über 10'000 Menschen, die nun mit Epic arbeiten, in 2500 Kursen geschult werden.
Würden nun die anderen öffentlichen Spitäler im Kanton Bern Epic übernehmen, müssten sie ihr Personal ebenfalls neu schulen und die Prozesse an das System anpassen.
Viele derzeitige Nutzer von Epic im Inselspital sind unzufrieden mit dem System, wie zahlreiche Kommentare von Insel-Angestellten und auch eine
Umfrage unter Spitalärzten zeigte.
Die Frage ist auch, wie nützlich eine Ausdehnung des Systems auf alle Berner Spitäler ist. Denn der Datenaustausch mit Spitälern ausserhalb des Kantons bliebe wie bisher beschränkt, weil die meisten ein anderes System haben.
Abhängigkeit von den USA befürchtet
Grundsätzliche Kritik gibt es daran, dass der Kanton Bern seinen öffentlichen Spitälern ein Klinikinformationssystem aus den USA verordnen will – wegen den Risiken in Bezug auf Kosten, Abhängigkeit und Anpassungsfähigkeit. Konkret wird befürchtet, dass US-Präsident Donald Trump ohne Weiteres beliebige Gebühren auf «Services» erheben könnte – oder im schlimmsten Fall gleich die ganze Schweizer Gesundheitsversorgung vom Netz nehmen könnte, wenn die Schweiz einer Forderung nicht nachkomme.
Befürworter rühmen das System
Handkehrum gibt es auch Befürworter der Ausbreitung von Epic. Letzten Dezember
sagte Martin Fiedler, ärztlicher Direktor des Inselspitals: «Falls sich alle Spitäler und Arztpraxen an Epic beteiligen würden, könnte dies das klassische elektronische Patientendossier (EPD) überflüssig machen»:
Es gibt Nutzer, die das System rühmen: Es sei zwar etwas komplizierter, dafür auch fortschrittlicher als das Konkurrenz-System KISIM der Zürcher Firma Cistec.
Vielen Nutzern im Inselspital wäre es zudem egal, welches System eingeführt wird, wenn es nur ein einheitliches für die ganze Schweiz wäre. «Wie oft habe ich Diagnosen von Hausarztunterlagen 1:1 abschreiben müssen in unser System, weil nicht mal die optische Zeichenerkennung fürs Kopieren funktioniert hat?!» Oder ein anderer Inselmitarbeiter kommentiert die Vorteile von Epic ebenfalls wohlwollend: «Ich habe keine Lust mehr, Diagnosen und Medikamente jeweils nach Zuweisung wieder einzutöggeln.»
Kanton rechnet mit 11 Millionen Franken – für den Anfang
Der Kanton Bern geht derzeit davon aus, dass der Aufbau von Epic für alle öffentlichen Spitäler Anfangskosten von rund 11 Millionen Franken zur Folge habe. Das wären aber bei weitem nicht alle Kosten: Es müsste eine Betreiberorganisation gegründet werden, und die einzelnen Spitäler müssten von ihrem bisherigen auf das neue System umstellen. Zudem wären die Betriebskosten für Epic höher als für die bisherigen Klinikinformationssysteme.
Der Berner Regierungsrat ist aber zuversichtlich: «Mit zunehmender Zahl angeschlossener Spitäler senken sich die Betriebsgrenzkosten erheblich, wovon die Spitäler profitieren können. Für kleinere Spitäler können Gesundheitsplattformen rasch zu teuer und zu komplex werden, wenn sie alleine beschafft werden.»
Derzeit will der Kanton erste Erfahrungen mit einem Pilotprojekts im Spital Emmental sammeln. Ausserdem muss er abklären, ob das geplante Vorgehen die Vorgaben des öffentlichen Beschaffungswesen verletzen könnte. Danach muss das Kantonsparlament die Pläne absegnen.