Bundesamt wirft Spitex «Falschbehauptungen» vor

Weil die Spitex-Verbände 30 Franken pro Stunde mehr wollen für die Pflege von schwerkranken Kindern, gibt es nun heftigen Streit.

, 5. Juli 2023 um 09:49
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Symbolbild: Sasin Tipchai auf Pixabay
Die Spitex-Verbände und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) haben sich verkracht. Der Grund ist ein Tarifstreit. Gestern teilten die Spitex Schweiz und der Privat-Spitex-Verband gemeinsam mit: Sie kündigen den Vertrag den Vertrag mit Invalidenversicherung (IV).

Kinderspitex fürchtet um Existenz

Der Grund für dieses forsche Vorgehen: «Der IV-Tarif für schwerkranke Kinder von Franken 114.96 pro Stunde ist nicht kostendeckend.» Dadurch sei die Existenz der Kinderspitex-Organisationen bedroht.
Die beiden Verbände fordern vom zuständigen Bundesamt einen kostendeckenden Tarif, der laut Spitex Schweiz bei 145 Franken – also 30 Franken über dem geltenden – liegt.

Bundesamt ist «befremdet»

Nun reagiert das angegriffene Bundesamt ungewöhnlich harsch auf die Forderungen: «Das BSV ist befremdet von verschiedenen Falschbehauptungen», schreibt es in einer Mitteilung. Es wirft den Verbänden unverhohlen vor, dass ihr Vorpreschen kein «vertrauensvolles, konstruktives Vorgehen» sei.
Vor allem stösst dem BSV auf, dass die Spitex behauptet, die Versorgung der derzeit 2600 schwerkranken Kinder sei gefährdet und deswegen werde der Tarifvertrag gekündet.

BSV wollte Tarif nicht senken

Das BSV ist klar der Meinung, dass der derzeit gültige Tarif «die Kosten eines betriebswirtschaftlich effizienten Betriebs» decke.
Unwahr sei auch die Behauptung, dass das BSV den Tarif weiter senken wolle, anstatt ihn zu erhöhen.
Gleichzeitig wirft das Bundesamt den Spitex-Organisationen vor, dass die Kosten, die sie geltend machen, zu wenig transparent seien.

Keine Vollkosten-Deckung

Eine Falschbehauptung der Spitex sei auch, dass die IV zur Deckung der vollen Spitex-Kosten verpflichtet sei. In der Verordnung heisst es: «Der Tarif darf höchstens die transparent ausgewiesenen Kosten der Leistung und die für eine effiziente Leistungserbringung erforderlichen Kosten decken.»
Zumindest in einem Punkt korrigierte daraufhin Marianne Pfister, Co-Geschäftsführerin von Spitex Schweiz, die eigenen Aussagen. Das BSV habe bloss «angedeutet», dass aufgrund ihrer Daten der Tarif hätte gesenkt werden müssen, räumte sie gegenüber dem «Blick» ein.

«Versorgung gewährleistet»

Derweil versucht das Bundesamt den Aufruhr in der Bevölkerung zu dämpfen: «Die Versorgung schwerkranker Kinder ist gewährleistet», betont es. Der Vertrag bleibe auch nach der Kündigung noch bis Ende 2024 gültig.

So geht es weiter

Das BSV will über den Tarif verhandeln. Wenn sich BSV und Spitex nicht einigen, bleibt der bestehende Vertrag noch bis Ende 2025 gültig. Gibt es auch bis dann keine Einigung, legt das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) einen Tarif fest. Und zwar auf den gesetzlichen Vorgaben.
Das heisst, es gibt eine Vergütung von betriebswirtschaftlichen Tarifen, welche die Kosten eines effizienten Betriebs decken. «So wie es schon heute der Fall ist», fügt das BSV hinzu.
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