Berlin: Prozess gegen Palliativarzt wegen 15-fachen Mordes

In Berlin hat der Prozess gegen einen Palliativarzt begonnen, der des Mordes an mindestens 15 Patienten beschuldigt wird. Der Fall erinnert an den «Luzerner Todespfleger».

, 15. Juli 2025 um 10:23
image
Der Todespfleger von Luzern hatte mindestens 22-mal gemordet und wurde 2005 zu lebenslanger Haft verurteilt. Bild: Screenshot/SRF
Vor dem Landgericht Berlin hat der Prozess gegen einen 40-jährigen Palliativarzt begonnen, der des Mordes an mindestens 15 Patienten beschuldigt wird. Die Staatsanwaltschaft prüft darüber hinaus mehr als 90 weitere Verdachtsfälle. Der Angeklagte schweigt zu den Vorwürfen.
Laut Staatsanwaltschaft soll Johannes M. zwischen September 2021 und Juli 2024 insgesamt 12 Frauen und 3 Männer während seiner Tätigkeit als Palliativarzt in Berlin getötet haben. Der Arzt gab seinen Patienten ohne medizinische Notwendigkeit Narkosemittel und Muskelrelaxantien, die zu Atemstillstand und Tod führten. In einigen Fällen versuchte er, seine Taten durch Brandstiftungen in den Wohnungen seiner Opfer zu vertuschen.
«Der Angeklagte hat sich als ‚Herr über Leben und Tod‘ aufgespielt», erklärte Staatsanwalt Philipp Meyhöfer in der «ARD Tagesschau». In mehreren Fällen fanden die Tötungen sogar unter Anwesenheit von Angehörigen statt. Im Fall einer 87-jährigen Patientin konnte diese zwar noch reanimiert werden, starb jedoch später im Krankenhaus.

Haftbefehl

Das erste mutmassliche Opfer war eine 25 Jahre alte krebskranke Frau, das älteste eine 94-jährige Patientin. Inzwischen wurden 15 mutmassliche Opfer exhumiert, und der Haftbefehl gegen den Arzt wurde mehrfach erweitert. Die Ermittlungen wurden ausgelöst, nachdem der Pflegedienst der Einrichtung, bei der M. tätig war, Verdacht geschöpft hatte.
Der Angeklagte wurde im August 2024 in Untersuchungshaft genommen. Der Prozess umfasst 35 Verhandlungstermine und soll bis Januar 2026 dauern. Die Staatsanwaltschaft strebt neben einer Verurteilung wegen Mordes auch die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, eine Sicherungsverwahrung sowie ein lebenslanges Berufsverbot an. 13 Angehörige der mutmasslichen Opfer treten als Nebenkläger auf.

Luzerner Todespfleger

Der Fall in Berlin weckt Erinnerungen an den «Luzerner Todespfleger». Zwischen 1995 und 2001 tötete der Pflegefachmann mindestens 22 meist demenzkranke Menschen in verschiedenen Alters- und Pflegeheimen der Zentralschweiz. Er gestand, seine Opfer überwiegend mit Beruhigungsmitteln vergiftet und teilweise zusätzlich mit Plastiksäcken erstickt zu haben. Drei weitere Bewohner versuchte er ebenfalls zu töten.
Die meisten Opfer waren Frauen im Alter zwischen 66 und 95 Jahren. Als Gründe für seine Taten nannte der Pfleger zunächst Mitleid und Überforderung, gab später jedoch auch persönliche Frustration und Wut zu. Aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate in den Pflegeheimen blieben seine Morde lange Zeit unentdeckt. Erst als Kolleginnen die Häufung der Todesfälle auffiel, wurde der Pfleger 2001 verhaftet und gestand die Tötungen.

«Tatort Krankenhaus»

In Deutschland beschäftigt sich der Psychiater Karl H. Beine bereits 2017 mit der Frage, ob hinter solchen Tötungsserien eine tiefere Grauzone im medizinischen Bereich liegt. In seinem Buch «Tatort Krankenhaus» führte er eine Umfrage unter 5055 Ärzten und Pflegekräften durch.
3,4 Prozent der Ärzte, 1,8 Prozent der Altenpfleger und 1,5 Prozent der Krankenpfleger gaben an, das Leiden von Patienten aktiv beendet zu haben. Diese Antworten könnten auf Tötungen ohne explizite Zustimmung der Patienten hindeuten – was die Grenze zur passiven Sterbehilfe überschreitet.
Beine warnt jedoch davor, das gesamte medizinische Personal unter Generalverdacht zu stellen. Er betont, dass diese Zahlen auf ein grundlegendes Problem im Sektor hinweisen. Wenn solche Taten keine «Einzelfälle» sind, deute das auf strukturelle oder kulturelle Probleme im medizinischen Bereich hin.
    Artikel teilen

    Loading

    Kommentar

    Mehr zum Thema

    image

    Studie: Smartwatches machen Ärzte widerstandsfähiger

    Wenn Mediziner im Spital ihre Gesundheitsdaten mit Wearables im Blick behalten, sinkt das Burnout-Risiko deutlich – und ihre Resilienz steigt messbar.

    image

    Neuer Präsident für ChiroSuisse

    Mit dem Walliser Alexandre Emery gelangt erstmals ein Romand an die Spitze des Berufsverbands der Chiropraktik.

    image

    KSBL: Lohnsumme steigt um 1,6 Prozent

    Damit werden auch gewisse Inflationsverluste der Vorjahre kompensiert.

    image

    Ein weiteres Schweizer Spital in Nachlassstundung

    Das Regionalgericht Maloja gewährt der Stiftung Gesundheitsversorgung Oberengadin einen Zahlungsaufschub. Damit ist der Winterbetrieb des Spitals in Samedan gesichert – und die Verantwortlichen können den Sanierungsplan angehen.

    image

    Androlab Zürich: Männliche Fruchtbarkeit im Fokus

    Bei unerfülltem Kinderwunsch liegt die Ursache häufig beim Mann. Androlab, ein Speziallabor für andrologische Diagnostik, bietet hochwertige Analysen für die männliche Fruchtbarkeit – auf dem neusten Stand der Wissenschaft.

    image

    KI-Power mit Medinside: Online-Kurs zu Künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen

    Entdecken Sie neue Chancen – mit unserer Schulung zur Künstlichen Intelligenz im Gesundheitswesen. In 2 x 90 Minuten zeigen wir Ihnen, wie Sie KI sicher und effektiv einsetzen.

    Vom gleichen Autor

    image

    Aargauer Pflegeheime am Limit – Unterversorgung droht

    Die Aargauer Pflegeheime sind zu 98 Prozent ausgelastet. Der Verband Aargauer Alters- und Pflegeheime warnt vor drohender Unterversorgung, während Spitäler zunehmend Probleme haben, Anschlussplätze für ihre Patienten zu finden.

    image

    Hochgebirgsklinik Davos fix auf Zürcher Spitalliste

    Die Hochgebirgsklinik Davos (HGK) ist nun definitiv auf der Spitalliste des Kantons Zürich und erhält den Leistungsauftrag für kardiale Rehabilitation,

    image

    «Kidz»: Basel startet pädiatrisches Hospital-at-Home-Modell

    Während die Betreuung kranker Kinder zu Hause in einigen Ländern bereits etabliert ist, wagt Basel mit «Kidz» nun den Schritt zu einem eigenen pädiatrischen Hospital-at-Home-Pilot.