Appell an Migros: 350 Gesundheitsprofis für den Nutri-Score

Der Nutri-Score verschwindet aus der Migros, Fachleute protestieren. Sie warnen vor negativen Folgen für die öffentliche Gesundheit.

, 20. März 2025 um 09:45
image
Bild: Screenshot, RTS
Als grösste Detailhändlerin der Schweiz setzt sich Migros zwar für Gesundheitsförderung ein – etwa mit medizinischen Dienstleistungen über das Medbase-Netzwerk und der digitalen Plattform iMpuls, die Expertenwissen zu Ernährung, Bewegung, Wellness und Medizin bietet.
Doch trotz dieses Engagements vollzog die Migros einen überraschenden Richtungswechsel: Nachdem sie den Nutri-Score bis 2021 schrittweise eingeführt hatte, entschied sie sich im vergangenen Jahr, ihn wieder von ihren Produkten zu entfernen. Die Begründung: Der Nutzen sei im Verhältnis zu den hohen Kosten zu gering.
Diese Entscheidung sorgt nun für Kritik. Wie das «Westschweizer Radio und Fernsehen» (RTS) berichtet, haben rund 350 Gesundheitsfachleute einen offenen Brief an die Migros-Konzernleitung verfasst. Sie fordern die Wiedereinführung des Nutri-Scores, da sie negative Folgen für die öffentliche Gesundheit befürchten.

Kontroversen

Der in Frankreich entwickelte Nutri-Score bewertet Lebensmittel mit einer Skala von A bis E und einer Farbkennzeichnung von Grün bis Rot, um deren Nährwert auf einen Blick ersichtlich zu machen. Während das System nach wie vor kontrovers diskutiert wird, bietet es Konsumenten eine schnelle Orientierung zu gesättigten Fettsäuren, Zucker- und Salzgehalt.
Die Einführung des Nutri-Scores hat bereits zahlreiche Hersteller dazu veranlasst, die Rezepturen ihrer Produkte zu überarbeiten. Inzwischen haben mehrere europäische Länder die Kennzeichnung übernommen.
In der Schweiz bleibt der Nutri-Score hingegen freiwillig. Trotz Forderungen von Gesundheitsexperten entschied der Nationalrat 2024, auf eine verpflichtende Einführung zu verzichten.

Strengere Kriterien

Gleichzeitig steht der Nutri-Score immer wieder im Visier der Lebensmittelindustrie-Lobby. Die Psychiaterin Adela Abella, Initiantin des offenen Briefs, sieht hinter der Entscheidung der Migros vor allem wirtschaftliche Interessen und Profitstreben. «Die Abschaffung des Nutri-Scores erfolgte, nachdem die Kriterien verschärft wurden – ohne Rücksicht auf die Auswirkungen für die öffentliche Gesundheit», kritisiert sie in der Zeitung «24heures»
Anfang 2024 wurden die Anforderungen an den Nährwert-Score nämlich nach oben korrigiert, sodass die Hersteller ihre Werte bis Ende 2025 neu berechnen mussten.

Wichtiges Werkzeug

Trotz mancher Kritik gilt der Nutri-Score für viele Fachleute als unverzichtbares Instrument zur Verbraucherinformation. «Es ist derzeit das beste verfügbare System», betont Rebecca Eggenberger, Ernährungsverantwortliche der Westschweizer Konsumentenvereinigung, in «24heures». «Da ein unabhängiger wissenschaftlicher Ausschuss den Nutri-Score alle fünf Jahre überprüft, wird er kontinuierlich verbessert und mögliche Schwächen werden behoben. Ohne eine solche Orientierungshilfe sind Verbraucher bei der Einschätzung von Nährwerten auf sich allein gestellt – eine Herausforderung»
Die Unterzeichner des offenen Briefs warnen: In der Schweiz sind bereits 43 Prozent der Bevölkerung übergewichtig oder fettleibig.
Sendung «A bon entendeur» des «Westschweizer Radio und Fernsehen» RTS», 18. März 2025

    Artikel teilen

    Loading

    Kommentar

    Mehr zum Thema

    image

    UPK Basel: Wechsel an der Spitze

    Nach 14 Jahren tritt Konrad Widmer als Präsident der Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel zurück. Katja Schott-Morgenroth übernimmt den Vorsitz, Jürg Nyfeler rückt in den Verwaltungsrat nach.

    image

    Unfruchtbarkeit: Neue WHO-Leitlinie zu Prävention, Diagnose und Behandlung

    Die Weltgesundheitsorganisation fordert in der ersten globalen Leitlinie zu Infertilität umfassende Reformen, damit Fertilitätsmedizin sicherer, gerechter und erschwinglicher wird.

    image

    Bürokratie in der Reha - Kritik am Bundesrat

    Die Antwort der Regierung auf eine Interpellation zur Entlastung der Rehabilitation überzeugt kaum – Reformvorschläge bleiben vage, die Frustration wächst.

    image

    Präzision trifft Innovation: roboter-assistierte Bronchoskopie für die Lungenkrebs-Frühdiagnostik in der Schweiz

    Lungenkrebs stellt in der Schweiz eine gesundheitliche Herausforderung dar. Jährlich erkranken etwa 4.900 Menschen neu, rund 3.300 Personen sterben an den Folgen dieser Erkrankung. Damit gehört Lungenkrebs zu den häufigsten und tödlichsten Krebsarten im Land. [1]

    image

    Mehr Pflegepersonal = weniger Ärzte-Burnout

    Eine grosse Erhebung in sieben Ländern zeigt: Dort, wo Pflege stark vertreten ist und Arbeitsumgebungen stimmen, bleiben Ärztinnen und Ärzte länger im Beruf.

    image

    Spitex Zürich erhält einen neuen CEO

    Der Geschäftsleiter der Regio-Spitex Limmattal wird der neue Chef der Spitex Zürich. Der bisherige CEO, Markus Reck, geht in Pension.

    Vom gleichen Autor

    image

    Reorganisation bei Swiss Medical Network

    Genf und das Waadtland werden in der Region «Arc Lémanique» zusammengefasst, geleitet von Stanley Hautdidier. In der Geschäftsleitung kommt es zu mehreren Veränderungen.

    image

    Ensemble Hospitalier de la Côte: Neue Leiterin Chirurgie

    Nach Stationen am CHUV und HUG kehrt Valentine Luzuy-Guarnero zum Waadtländer Gesundheitsnetzwerk EHC zurück.

    image

    Medizinstudierende wählen nach Fachattraktivität

    Nicht Geld oder Lifestyle entscheiden – sondern die Faszination fürs Fach: Eine aktuelle Studie zeigt, dass Medizinstudierende ihre Berufswahl vor allem nach der Attraktivität des Fachgebiets treffen.