«Pflege? Das ist doch ein Frauenberuf.»

Die Verwunderung ist oft gross, wenn Christos Bempos erzählt, dass er FaGe ist. An den gängigen Vorurteilen müsse sich dringend etwas ändern.

, 20. Mai 2025 um 08:55
letzte Aktualisierung: 15. Dezember 2025 um 08:21
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Christos Bempos. Bild: zvg
«Warum hast du nicht Medizin studiert? Pflege ist doch ein Frauenberuf.» Wenn Christos Bempos erzählt, dass er Fachmann Gesundheit ist, stösst er oft auf Unverständnis. «Es zeigt, wie tief verwurzelt Klischees noch immer sind», sagt er. Der Pflegeberuf werde vielfach noch immer als typischer Frauenberuf angesehen.
Tatsächlich liegt der Männeranteil im Pflegeberuf noch immer unter 20 Prozent. Laut Bundesamt für Statistik waren im Jahr 2021 nur 15,7 Prozent der neuen FaGe-Lehrlinge männlich. Bereits 2002 versuchte der Bund mit einer Imagekampagne mehr junge Männer für Gesundheitsberufe zu gewinnen. Der grosse Wandel blieb bislang aus.
Nach seiner FaGe-Ausbildung in einem Gesundheitszentrum war Christos Bempos unter anderem am Universitätsspital Zürich und in der Spitex tätig. Er absolvierte anschliessend eine Ausbildung in Marketing und Kommunikation und arbeitet heute als Stv. Pflegedienstleitung Kanton Zürich, Pflegeberater & Coach.

«Auf eigenen Beinen stehen»

Christos Bempos begann mit 17 Jahren seine Ausbildung als FaGe in einem Gesundheitszentrum der Stadt Zürich. Ursprünglich wollte er tatsächlich Medizin studieren – aber die finanzielle Situation seiner Familie liess diesen Weg nicht zu. Geprägt wurde er unter anderem durch seine Mutter, die selbst in der Pflege arbeitete und zusätzlich ihre krebskranke Mutter als pflegende Angehörige betreute.
Die Reaktionen auf seine Berufswahl waren gemischt: Erstaunen, Mitleid – manchmal auch Enttäuschung. «Willst du wirklich alten Leuten den Hintern abputzen?», sei eine häufige Frage gewesen. Und: «Du bist doch viel zu intelligent dafür.»

Abgewerteter Beruf

Was ihn dabei am meisten traf, sei nicht der Satz selbst gewesen – sondern vielmehr der unterschwellige gesellschaftliche Wert, der dem Beruf abgesprochen wurde. «Ich habe früh gelernt, das zu kontern: mit Kompetenz, Stolz und Selbstbewusstsein für das, was wir täglich leisten.»
«Pflege muss raus aus der klischeebehafteten «Engel»-Ecke – hin zu einem modernen, professionellen und selbstbewussten Auftritt.» — Christos Bempos
Denn noch immer halten sich die gesellschaftlichen Klischees hartnäckig: Pflege sei rein körperliche Arbeit, keine Denkarbeit, emotional, weiblich. Die Folge: Männer, die sich für den Beruf entscheiden, gelten als exotisch oder müssen sich erklären.
Dabei seien Männer auch gesund für die Dynamik innerhalb der Pflegeteams, ist Bempos überzeugt: «Es entsteht ein anderer Energiefluss». Die Zusammenarbeit sei lösungsorientierter, pragmatischer. Und gerade im Umgang mit männlichen Patienten brechen männliche Pflegefachpersonen eher Tabus.
«Das bedeutet nicht, dass Männer besser pflegen – aber sie bringen andere Perspektiven ein», präzisiert Christos Bempos.

Imagekorrektur

Wer mehr Männer für den Pflegeberuf gewinnen will, muss an mehreren Stellschrauben ansetzen. Institutionen sind gefordert, gezielt in die Entwicklung männlicher Pflegefachpersonen zu investieren, transparente Karrierewege aufzuzeigen und männliche Vorbilder sichtbar zu machen. Christos Bempos sagt: «Führungskräfte sollten klar kommunizieren: Wir brauchen euch – nicht als Quotenmänner, sondern als starke Mitgestalter.»
«Auch der Kinofilm 'Die Heldin' hat dem Image nicht gutgetan – oder würden Sie nach dem Film in so einem Beruf arbeiten wollen?»
Aus seiner Sicht braucht es ein umfassendes Rebranding des Berufs. Pflege müsse raus aus der klischeebehafteten «Engel»-Ecke – hin zu einem modernen, professionellen und selbstbewussten Auftritt. «In Ländern wie den USA wird Pflege in den Medien mit Stolz und Stärke präsentiert», sagt er.
In der Schweiz hingegen dominiere nach wie vor ein stereotypes Bild: lächelnde Frauen am Patientenbett. Pflege wird entweder romantisiert, dramatisiert oder als überfordernd dargestellt – selten jedoch realitätsnah.
«Auch der Kinofilm Die Heldin hat dem Image nicht gutgetan – oder würden Sie nach dem Film in so einem Beruf arbeiten wollen?», fragt er .
Was es braucht, sei vielmehr ein neues Narrativ: Pflege als Karriere mit Perspektive. Frühzeitige Zugänge insbesondere für junge Männer seien dabei entscheidend – etwa über Boys’ Days, Praktika, Schulbesuche oder authentische Einblicke über Plattformen wie TikTok und Instagram. Und nicht zuletzt: eine faire Bezahlung.
Er plädiert für eine ehrliche, vielfältige Kampagne, die Pflegeberufe so zeigt, wie sie tatsächlich sind: anspruchsvolle High-Performance-Jobs mit Verantwortung, technischer Expertise, Krisenkompetenz – und Menschen, die ihre Arbeit mit Leidenschaft und Professionalität ausüben.

Pflege der Zukunft

Für die Zukunft der Pflege sieht Bempos klare Aufgaben: «Digitaler, flexibler, menschlicher.» Mehr Coaching, mehr Prävention, bessere Löhne und Benefits, gerade für Menschen mit Familie.
Aber auch: gezielte Förderung von Resilienz, Argumentation und fachlicher Eigenständigkeit. Pflegefachpersonen müssten lernen, mit Ärzten auf Augenhöhe zu kommunizieren – und das eigene Berufsbild mit Stolz zu vertreten.
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