Covid: Forschende fordern bessere Datenerhebung weltweit

In einem gemeinsamen Kommentar in «Nature» appellieren führende Forschungseinrichtungen an die Staaten der Welt, die Datenerhebung zu Infektionskrankheiten zu verbessern.

, 19. September 2022 um 13:16
image
Symbolbild | Freepik
Um die Wirksamkeit politischer und gesellschaftlicher Massnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie zu analysieren, ist die Wissenschaft auf möglichst vollständige, saubere und aktuelle Daten angewiesen. Wie das Beispiel Corona gezeigt hat, mangelt es weltweit allerdings an nationalen Registern. Das ist auch in der Schweiz der Fall.
Nun apllieren führende Forschungseinrichtungen in einem gemeinsamen Kommentar, der in der Fachzeitschrift Nature Scientific Data veröffentlicht wurde, an die Staaten der Welt, die Datenerhebung zu Infektionskrankheiten zu verbessern.
Zu den Forschungsgruppen zählen neben der Technischen Universität München (TUM) auch die Johns Hopkins University, die University of Oxford, der Complexity Science Hub und die Veterinärmedizinische Universität Wien sowie die humanitäre Non-Profit-Organisation ACAPS. Gemeinsam haben sie Hunderttausende von Daten über die Reaktionen der Regierungen auf die Pandemie gesammelt, und ihre Daten werden zur Beantwortung grundlegender Fragen verwendet, wie zum Beispiel:
  • Wie sollte die Rückverfolgung von Kontakten organisiert werden?
  • Wie wirksam sind Schulschliessungen bei der Eindämmung der Ausbreitung des Virus?
  • Welche Reisebeschränkungen sind sinnvoll?

Finanzielle Mittel fehlen

Mitautor Luca Messerschmidt von der TUM betont: «Nicht-pharmazeutische Interventionen wie Schulschliessungen und Ausgangssperren sind neben Impfstoffen die wichtigsten Instrumente gegen Covid-19. Die Verfügbarkeit von Daten über solche Massnahmen ermöglicht es uns, Gegenmassnahmen auf ihre Wirksamkeit zu testen. So können die Staaten voneinander lernen und erfolgreiche Massnahmen im Kampf gegen die Pandemie ergreifen.»
Trotz der Bedeutung dieser Daten fehlt es an angemessenen Finanzmitteln für die Datenerhebung – insbesondere in ressourcenknappen Staaten. Solche Daten sind nicht nur für das Verständnis der Ursachen und Auswirkungen erforderlich, sondern werden es der wissenschaftlichen Gemeinschaft auch ermöglichen, Staaten und Regierungen im Falle künftiger Gesundheitskrisen besser zu beraten.

Grösste Corona-Datenbank

Forschende am TUM-Lehrstuhl für Internationale Beziehungen koordinieren die weltweit grösste Datenbank zu pandemiepolitischen Entscheidungen. Das Corona-Net-Forschungsprojekt enthält Informationen über mehr als 130’000 Massnahmen, die von Regierungen in fast 200 Ländern als Reaktion auf die Pandemie ergriffen wurden. Derzeit wird die Datenbank von mehr als 200 Freiwilligen kontinuierlich aktualisiert.
Die Kerngruppe von Corona-Net besteht aus Forschenden der
  • Hochschule für Politik (HfP) an der TUM sowie der New York University (NYU) Abu Dhabi,
  • der Nazarbayev University,
  • der University of Iceland,
  • der Universidade de Brasília und
  • der University of Southern California.
Corona-Net ist auch Teil des Paneuropäischen Projekts Periscope (Pan-European Response to the Impact of Covid-19 and Future Epidemics and Pandemics), das sich aus 32 Partnerinstitutionen aus 15 europäischen Ländern zusammensetzt, die in den nächsten drei Jahren die sozialpolitischen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie untersuchen.
Finanziert wird das Projekt zum Teil von der TUM und der NYU sowie durch eine EU-Förderung im Rahmen von Horizon 2020, dem Nationalen Rat für Eurasien- und Osteuropaforschung und dem Leibniz-Forschungsverbund «Krisen einer globalisierten Welt» an der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung.
  • politik
  • forschung
  • Corona
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

Luzern: Mehr Geld für die ärztliche Weiterbildung

7,65 Millionen Franken sollen zusätzlich in die Weiterbildung von Ärzten in den Spitälern der kantonalen Spitalliste fliessen.

image

Psychiater schreibt den «Berset-Code»

Kein Krimi: In einer Woche erscheint ein Buch über den Ex-Gesundheitsminister Alain Berset. Der Psychiater Gregor Hasler hat es verfasst.

image

Ihre Ideen sind gefragt: Wie spart man 300 Millionen pro Jahr?

Beim ersten «Runden Tisch» des Gesundheitswesens setzten die Akteure ein Sparziel, das ab 2026 gelten soll. Dazu soll auch die Bevölkerung kreativ beitragen.

image

Pierre-Yves Maillard will den Krankenkassen die Beteiligung an Leistungserbringern verbieten

Der SP-Ständerat wittert eine ungute Doppelrolle der Krankenkassen.

image

Abschaffung des NC? «Finden wir nicht gut»

Dass der Numerus Clausus abgeschafft wird, stösst bei Medizinstudenten auf wenig Begeisterung. Sie fürchten Qualitätseinbussen.

image

Luzern: Referendum gegen neues Spitalgesetz

Die Luzerner Grünliberalen sind gegen die Festlegung des Leistungsangebots der Spitäler im Gesetz.

Vom gleichen Autor

image

Kinderspital verschärft seinen Ton in Sachen Rad-WM

Das Kinderspital ist grundsätzlich verhandlungsbereit. Gibt es keine Änderungen will der Stiftungsratspräsident den Rekurs weiterziehen. Damit droht der Rad-WM das Aus.

image

Das WEF rechnet mit Umwälzungen in einem Viertel aller Jobs

Innerhalb von fünf Jahren sollen 69 Millionen neue Jobs in den Bereichen Gesundheit, Medien oder Bildung entstehen – aber 83 Millionen sollen verschwinden.

image

Das Kantonsspital Obwalden soll eine Tochter der Luks Gruppe werden

Das Kantonsspital Obwalden und die Luks Gruppe streben einen Spitalverbund an. Mit einer Absichtserklärung wurden die Rahmenbedingungen für eine künftige Verbundlösung geschaffen.