Um die Wirksamkeit politischer und gesellschaftlicher Massnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie zu analysieren, ist die Wissenschaft auf möglichst vollständige, saubere und aktuelle Daten angewiesen. Wie das Beispiel Corona gezeigt hat, mangelt es weltweit allerdings an nationalen Registern. Das ist auch in der Schweiz der Fall.
Nun apllieren führende Forschungseinrichtungen in einem gemeinsamen Kommentar, der in der Fachzeitschrift
Nature Scientific Data veröffentlicht wurde, an die Staaten der Welt, die Datenerhebung zu Infektionskrankheiten zu verbessern.
Zu den Forschungsgruppen zählen neben der
Technischen Universität München (TUM) auch die Johns Hopkins University, die University of Oxford, der Complexity Science Hub und die Veterinärmedizinische Universität Wien sowie die humanitäre Non-Profit-Organisation ACAPS. Gemeinsam haben sie Hunderttausende von Daten über die Reaktionen der Regierungen auf die Pandemie gesammelt, und ihre Daten werden zur Beantwortung grundlegender Fragen verwendet, wie zum Beispiel:
- Wie sollte die Rückverfolgung von Kontakten organisiert werden?
- Wie wirksam sind Schulschliessungen bei der Eindämmung der Ausbreitung des Virus?
- Welche Reisebeschränkungen sind sinnvoll?
Finanzielle Mittel fehlen
Mitautor Luca Messerschmidt von der TUM betont: «Nicht-pharmazeutische Interventionen wie Schulschliessungen und Ausgangssperren sind neben Impfstoffen die wichtigsten Instrumente gegen Covid-19. Die Verfügbarkeit von Daten über solche Massnahmen ermöglicht es uns, Gegenmassnahmen auf ihre Wirksamkeit zu testen. So können die Staaten voneinander lernen und erfolgreiche Massnahmen im Kampf gegen die Pandemie ergreifen.»
Trotz der Bedeutung dieser Daten fehlt es an angemessenen Finanzmitteln für die Datenerhebung – insbesondere in ressourcenknappen Staaten. Solche Daten sind nicht nur für das Verständnis der Ursachen und Auswirkungen erforderlich, sondern werden es der wissenschaftlichen Gemeinschaft auch ermöglichen, Staaten und Regierungen im Falle künftiger Gesundheitskrisen besser zu beraten.
Grösste Corona-Datenbank
Forschende am TUM-Lehrstuhl für Internationale Beziehungen koordinieren die weltweit grösste Datenbank zu pandemiepolitischen Entscheidungen. Das
Corona-Net-Forschungsprojekt enthält Informationen über mehr als 130’000 Massnahmen, die von Regierungen in fast 200 Ländern als Reaktion auf die Pandemie ergriffen wurden. Derzeit wird die Datenbank von mehr als 200 Freiwilligen kontinuierlich aktualisiert.
Die Kerngruppe von Corona-Net besteht aus Forschenden der
- Hochschule für Politik (HfP) an der TUM sowie der New York University (NYU) Abu Dhabi,
- der Nazarbayev University,
- der University of Iceland,
- der Universidade de Brasília und
- der University of Southern California.
Corona-Net ist auch Teil des Paneuropäischen Projekts Periscope (Pan-European Response to the Impact of Covid-19 and Future Epidemics and Pandemics), das sich aus 32 Partnerinstitutionen aus 15 europäischen Ländern zusammensetzt, die in den nächsten drei Jahren die sozialpolitischen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie untersuchen.
Finanziert wird das Projekt zum Teil von der TUM und der NYU sowie durch eine EU-Förderung im Rahmen von Horizon 2020, dem Nationalen Rat für Eurasien- und Osteuropaforschung und dem Leibniz-Forschungsverbund «Krisen einer globalisierten Welt» an der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung.