Arzt übersah Beckenbruch – und wird bestraft

Eine 88-Jährige stirbt nach einem Sturz im Spital. Ihr Arzt wurde verurteilt – Kollegen sind empört.

, 1. Mai 2025 um 06:51
image
Symbolbild: Unsplash
Im Spital Rheinfelden stürzte eine Patientin, die unter anderem an Parkinson litt, auf dem Weg zur Toilette. Sie brach sich das Becken und starb einen Tag später, vermutlich an inneren Blutungen. Der zuständige Kaderarzt übersah den Bruch auf dem Röntgenbild und liess die Frau nicht stärker überwachen.
Das Bezirksgericht verurteilte den Arzt nun zu einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 250 Franken und einer Busse von 3000 Franken. Der Richter befand, dass die Situation für einen Arzt mit normalem Kenntnisstand voraussehbar gewesen wäre. Eine engmaschigere Überwachung der Patientin wäre angezeigt gewesen.

«Passiv» gehandelt

Der Arzt habe eine Fehldiagnose gestellt und es unterlassen, eine Kollegin oder einen Kollegen mit entsprechender Fachkompetenz für die Deutung der Röntgenbilder beizuziehen. Bei älteren Patienten mit Osteoporose seien Beckenbrüche nicht allzu selten. Insgesamt habe der Beschuldigte «passiv» gehandelt, sagte der Richter laut der «Aargauer Zeitung».

«Jede Nacht stürzen Patienten»

Trotz des Urteils ist sich der Arzt keiner Schuld bewusst. Und er erhält Unterstützung von etlichen Kollegen. «Dieses Urteil macht uns sehr nachdenklich», sagt ein Arzt gegenüber Medinside. Er fragt sich: «Sollten wir nun nach jedem Sturz aus dem Bett ein Ganzkörper-CT fahren und multiple Konsile anmelden? In einem grossen Spital stürzen jede Nacht mehrere Patienten.»

«Abstrafung»

Eine Kollegin kommentierte das Urteil: Dass innere Blutungen angeblich zum Tod geführt haben, sei im Einzelfall tragisch. Noch tragischer sei es aber, einen Arzt, der nie alle Eventualitäten rund um die Uhr überwachen könne, als «Täter» dermassen abzustrafen.

«Hyperaktionismus»

Selbst in spezialisierten Rehabilitationszentren für Parkinsonkranke seien Stürze an der Tagesordnung, trotz Überwachungskameras, Klingelmatten, Fixationsgurten. «Würde jedes Mal die ganze Palette an Abklärungen gestartet, wäre dies ein Hyperaktionismus.»
Ein weiterer Kommentar lautete: «Ich bin sprachlos ob dem Urteil. Ein Richter, der keine Ahnung von Medizin hat, masst sich hier ein Urteil an, das nicht haltbar ist.»
    Artikel teilen

    Loading

    Kommentar

    Mehr zum Thema

    image

    Datenleck bei Hirslanden Zürich: Es war menschliches Fehlverhalten - kein IT-Problem

    Ein Hirslanden-Belegarzt gab seine Login-Daten zu den Patientenakten weiter. Die Zugriffsrechte von Belegärzten seien aber kein grundsätzliches Problem, betont der Hirslanden-Sprecher.

    image

    Lindenhof gibt Spitalstandort Engeried auf

    Grosser Umbau in der Berner Lindenhofgruppe: Im Engeried gibt es künftig nur noch ambulante Radiologie und Arztpraxen. Der Rest wird an den Lindenhof und an den Sonnenhof verlegt.

    image

    Michael Osthoff wird neuer Stiftungsrat im See-Spital

    Das See-Spital erhält einen neuen Stiftungsrat: Michael Osthoff, Chefarzt in Winterthur, wird Nachfolger des zurücktretenden Walter Reinhart.

    image

    Darum haben Dermatologie-Kliniken so grossen Erfolg

    Die Zahl der dermatologischen Kliniken wächst schnell. Die Gründe für den Erfolg von Skinmed, Delc, Dermis und DKZ.

    image

    VITREA leistet Pionierarbeit für Menschen mit Rückenmarkverletzung in Europa

    Die VITREA Gruppe, einer der führenden europäischen Anbieter für Rehabilitation, führt als erste Rehagruppe in Europa die ARC-EX-Therapie von ONWARD Medical ein.

    image

    Spitalverband H+ übt Kritik an Agenda Grundversorgung

    Der Spitalverband H+ beurteilt den Fachbericht zur Agenda Grundversorgung kritisch. Aus Sicht des Verbands werden Spitäler und Kliniken in der Strategie zu wenig berücksichtigt

    Vom gleichen Autor

    image

    Krankenkasse kritisiert starke Zunahme der Computer-Tomographien

    Letztes Jahr wurde bei etwa sieben Prozent der Bevölkerung mindestens eine CT des Rumpfes durchgeführt. Die Helsana ist besorgt über diese Zahlen.

    image

    Schaffhauser Kinder- und Jugendpsychiatrie in der Kritik – Chefarzt tritt ab

    Jan-Christoph Schaefer ist nicht mehr Leiter der Klinik. Fachleute bemängeln die Arbeit des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes.

    image

    Gutachten für die IV: Spitäler haben wenig Interesse

    Es wäre eine lukrative Tätigkeit, IV-Gutachten zu erstellen. Doch die meisten Spitäler wollen nicht.