Appell einer Pflegerin, die Opfer ihres Berufes wurde

Der tragische Tod einer Pflegefachfrau und ihr Brief bewegt derzeit die USA.

, 20. November 2023 um 12:45
image
Sie verglich das Gesundheitssystem mit einem misshandelnden Partner. | Unsplash
Tristin Kate Smith hat sich im August das Leben genommen. Fünf Monate zuvor hatte die Pflegefachfrau einen bewegenden Brief geschrieben, in dem sie das amerikanische Gesundheitssystem mit einem missbrauchenden Partner verglich. Ihr Vater entdeckte den Brief auf ihrem Laptop und reichte ihn als Leserbrief bei der Lokalzeitung «Oakwood Register» ein. Die bewegenden Zeilen der 28-Jährigen findet nun bei erschöpften Pflegeprofis im ganzen Land Gehör.

Notruf aus der Notaufnahme

image
Screenshot
In dem Brief mit dem Titel «Brief an meinen Misshandler» schildert sie ihre Erfahrungen in der Notaufnahme: Sie beschreibt, wie ihre anfängliche Begeisterung für das Gesundheitswesen in einem Albtraum endete. Lob und Dank verloren an Bedeutung, ihre Sorgen um Personalmangel und Sicherheit wuchsen.
Der Brief thematisiert auch das Klima der Angst und der Schuldzuweisung in dem nicht namentlich genannten Spital, in dem sie arbeitete. Smith schreibt auch über die zunehmende Gewalt seitens der Patienten.
Der Brief ist ein Spiegelbild des Innenlebens, wie es auch in der Schweiz bei vielen Pflegefachpersonen der Fall sein dürfte. Das Schreiben enthält unter anderem folgende Sätze:
«Jeden Tag verlangst du von mir, mehr mit weniger zu tun. Du schlägst mich, bis mein Körper und Geist schwarz, blau und blutend sind». Und: «Es tut mir nur leid für meine Patienten und Kollegen. Ihr verdient so viel Besseres, aber mein misshandelnder Partner kennt keine Gnade.»

Gesundheitssystem hat unsere Tochter gebrochen

Seit seiner Veröffentlichung hat der Brief landesweite Aufmerksamkeit erregt und Empörung beim Pflegepersonal und in der Öffentlichkeit ausgelöst. Pflegeprofis nutzen Social-Media-Plattformen, um ihrem Frust über die prekären Arbeitsbedingungen Luft zu machen, die immer mehr Healthcare Professionals aus dem Beruf drängen. Ein Teufelskreis, der junge Pflegefachpersonen wie Tristin oft dazu zwingt, belastende Situationen alleine zu bewältigen.
Der Brief (siehe unten) endet mit den Worten:
«Wenn ich bleibe, verliere ich meinen Verstand – und vielleicht mein Leben – für immer».
Ihr Vater erinnert sich an Tristin als eine «fröhliche und selbstbewusste» Person, die Tiere liebte, einen grünen Daumen hatte und sich für Backen, Schreiben und Kunst interessierte. «Unser nationales Gesundheitssystem ist kaputt, und es hat unsere Tochter gebrochen», schrieb er in einem Vorwort zu Tristins Brief.
Mehr:

  • pflege
Artikel teilen

Loading

Kommentar

Mehr zum Thema

image

Pflege im Fokus: Zentralschweizer Spitäler starten Video-Kampagne

Die Spitäler der Zentralschweiz lancieren eine Video-Kampagne, in der Pflegende selbst Regie führen.

image

Was tun gegen die Personalnot? Mehr Macht für die Pflege.

In Frankreich werden die Kompetenzen der Pflegefachleute bald drastisch erweitert. Die Nationalversammlung hat ein entsprechendes Gesetz durchgewunken – einstimmig.

image

Covid: Eine Patentlösung für Pflegeheime gab es nicht

Die Pflegeheime standen in der Pandemie an vorderster Front. In Genf ging nun eine Studie der Frage nach: Was hätten sie besser machen können?

image

Pflege plus Integration: Freiburg startet Pilotprojekt

Der Kanton reagiert auf den Pflegepersonal-Mangel mit einer Spezial-Ausbildung: Sie verbindet Sprachunterricht mit beruflichem Einstieg in Pflegeheimen.

image
Die Schlagzeile des Monats

«Niemand kam und sagte: Schön bist du da»

In unserer Video-Kolumne befragen wir Experten aus der Branche zu aktuellen Themen. Diesmal: Alessia Schrepfer, Gründerin und Co-Chefin von WeNurse.

image

Die Ankündigung der Zürcher Spitäler bezüglich Temporärarbeit ist kontraproduktiv

Die Absprache der Zürcher Spitäler, auf Temporärarbeitende zu verzichten, ist kontraproduktiv und gefährdet die Patientensicherheit. Die Temporärarbeit ist ein bewährtes Mittel gegen den Fachkräftemangel, indem Pflegekräfte flexibel bleiben und jederzeit in den Beruf wieder einsteigen können.

Vom gleichen Autor

image

Kantonsspital Glarus verliert GL-Mitglied

Thomas Kühnis, Chef der Finanzen, Informatik und Betriebe, verlässt nach neun Jahren die Geschäftsleitung des Kantonsspitals Glarus.

image

Neue Ärzte-Tarife auf dem Weg zur Genehmigung

Die Tarifpartner beantragen wie geplant die Genehmigung eines Tarifsystems aus ambulanten Pauschalen und Tardoc.

image

Schatten über dem Verkauf des Spitals Flawil

Wurden beim Verkauf des Spitals Flawil die Vertragspartner getäuscht? Mehrere Kantonsparlamentarier verlangen Antworten von der St.Galler Regierung.