«Professionelle Dolmetschdienste sind übertrieben»

Der Nationalrat will nichts wissen von einer einheitlichen Vergütungspflicht für Dolmetscherdienste im Gesundheitsbereich. Auch dank Digitalisierung und KI sei dies nicht nötig.

, 15. März 2024 um 13:57
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SVP-Nationalrätin Vroni Thalmann-Bieri: «Es wäre ein zu grosser Kostentreiber im Gesundheitswesen, auf professionelle Dolmetscher zu setzen.» | Screenshot: parlament.ch
Braucht es eine gesetzliche Grundlage für eine national einheitliche Vergütungspflicht von Dolmetsch-Kosten? Nein, meinte der Bundesrat.
Ja, entschied der Ständerat in der zurückliegenden Herbstsession.
Nein, sagt dagegen der Nationalrat in der eben abgelaufenen Frühjahrssession. Die Motion von Damian Müller ist somit vom Tisch.
Niemand wird bestreiten, dass eine adäquate Verständigung zwischen Gesundheitspersonal und Patienten eine Voraussetzung für eine sachgerechte medizinische Behandlung ist. Für Mitte-Ständerat Damian Müller braucht es mitunter professionelle Dolmetscher.

Kosteneffizienz

«Die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Dolmetsch-Leistungen ist eine wesentliche Bedingung für eine kosteneffiziente und qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung», begründete Damian Müller seine Motion. Darum müsse sie Bestandteil der Leistungserbringung und somit von anrechenbaren Kosten sein. Der Luzerner Ständerat präsidiert derzeit auch die ständerätliche Sozial- und Gesundheitskommission (SGK-S).
Zudem hält Damian Müller in seiner Motion fest, dass Verständigungsschwierigkeiten zu einer Ober-oder Unterversorgung führen und Kosten generieren könnten, welche den direkten Aufwand für Dolmetsch-Leistungen überstiegen.

Sache der Tarifpartner

Der Bundesrat widerspricht Müller nicht und unterstützt eine einheitliche Vergütungspflicht. Dazu brauche es aber keine Gesetzesänderung. Die Lösung sei vielmehr von den Tarifpartnern auszuhandeln.
Auch eine knappe Mehrheit der nationalrätlichen Sozial- und Gesundheitskommission (SGK-N) will von diesem Ansinnen nichts wissen. Dies aber aus grundsätzlichen Gründen, wie man aus den Ausführungen von Vroni Thalmann-Bieri schliessen kann.
Die eben erst gewählte SVP-Nationalrätin erklärte im Namen der Kommission, den Patienten sei es jederzeit freigestellt, Ärzte aufzusuchen, welche die nötigen Sprachkenntnisse hätten. Sie könnten aber auch Verwandte und Betreuer mitbringen, um die Sprachbarrieren zu verkleinern. «Es wäre ein zu grosser Kostentreiber im Gesundheitswesen, hier auf professionelle Dolmetscher zu setzen.»
Die Meinung, dass mit einer garantierten sehr guten Übersetzung die nachfolgenden Gesundheitskosten reduziert werden könnten, wurde von den Kommissionsmitgliedern nur zum Teil unterstützt, erklärte Thalmann-Bieri weiter, die in der Luzerner Gemeinde Flühli Sozialvorsteherin ist. «Eine professionelle Übersetzung ist schlicht übertrieben und nicht zielführend, da dies erneut eine grosse Dienstleistungsindustrie auslösen werde.»

Handeln statt sprechen

Zudem wurde in der Kommission eingebracht, dass dank Digitalisierung und von KI auf professionelle Dolmetscherdienste verzichtet werden könne. Es dürfe nicht passieren, dass neue Möglichkeiten nicht genutzt oder nicht mit einbezogen würden. Und schliesslich wurde laut Vroni Thahlmann-Bieri in der Kommission darauf hingewiesen, «dass in Notfällen wohl der Betroffene froh sei, dass er behandelt werde, und in diesen Fällen wohl nicht gross gesprochen, sondern gehandelt werde.»
  • Am Kantonsspital Baden gibt es jetzt Video-Dolmetscher. Nach einer Pilotphase führt das KSB das Angebot von Online-Live-Übersetzungen definitiv ein.
  • Gehören Dolmetscherdienste in den Leistungskatalog?. Der Ständerat will, dass Dolmetschdienste im Gesundheitswesen über die obligatorische Grundversicherung abgerechnet werden können.

  • politik
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