Wenn eine SP-Nationalrätin und ein FDP-Ständerat gleichzeitig eine Motion gleicher Zielsetzung und mit gleichem Wortlaut einreichen, so kann fast nichts mehr schiefgehen. Das zeigte sich am Mittwochmorgen im Ständerat.
Verständnisproblem
So verlangen die Bernerin Flavia Wasserfallen und der Luzerner Damian Müller eine national einheitliche Vergütungspflicht von Dolmetscherkosten bei Gesundheitsdienstleistungen. Damit soll die Verständigung zwischen Patientinnen und Patienten und medizinischen Leistungserbringenden garantiert werden.
Just am Tag, an dem Gesundheitsminister Alain Berset erneut unliebsame Prämienerhöhungen kommunizieren muss, stimmt der Ständerat der Motion mit 19 zu 14 Stimmen bei 6 Enthaltungen zu. Das letzte Wort hat aber der Nationalrat.
Gegen einen Leistungsausbau
Der Zuger Mitte-Ständerat Peter Hegglin plädiert umsonst gegen diesen Ausbau des Leistungskatalogs in der Grundversicherung. «Die Kostenfolgen wären erheblich und heute noch nicht abschätzbar», sagt er.
Laut Hegglin gäbe es auch die Möglichkeit, eigenverantwortlich zu handeln. Die betroffenen Personen könnten bei medizinischen Behandlungen Verwandte oder Bekannte mitnehmen, die die Sprachkenntnisse haben und damit entsprechend übersetzen können. Sie könnten auch Leistungserbringer aufsuchen, die über die gewünschten Sprachkenntnisse verfügen. «Diese kostengünstigen Massnahmen würden dann aber durch die Einführung einer Vergütungspflicht für professionelle Dolmetscherdienste zurückgehen und durch teure Leistungen ersetzt», moniert Hegglin.
Fehldiagnosen sind teurer als Dolmetscher
Aber ist es eine Ausweitung? Führt die Kostenübernahme für Dolmetschdienste zu einer Kostensteigerung? Der Luzerner FDP-Ständerat Damian Müller ist vom Gegenteil überzeugt.
«Ja, die Vergütung von Dolmetsch-Leistungen kostet», sagt der Luzerner, «aber sie kostet weitaus weniger als die Fehlversorgung aufgrund sprachlicher Hürden, und die gibt es.»
Und weiter: «Wir verlangen hier immer wieder und zu Recht Kosteneffizienz im Gesundheitswesen. In diesen Fragen haben wir die Möglichkeit, diese Forderung in die Praxis umzusetzen.»
Die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Dolmetsch-Leistungen ist daher laut Damian Müller eine wesentliche Bedingung für eine kosteneffiziente und qualitativ hochstehende Gesundheitsversorgung.
Sache der Tarifpartner
Auch der Bundesrat unterstützt das Anliegen der Motionären. Er sagt aber auch, dass es dazu keiner Gesetzesänderung bedarf. Er verweist auf die Tarifautonomie und erklärt, dass schon heute die Tarifpartner den mit diesem Aufwand verbundenen Kostenanteil auf die Tarife überwälzen könnten, sofern die Dolmetscherdienste «notwendiger Bestandteil der medizinischen Behandlung sind».
Für Damian Müller liegt aber gerade hier das Grundproblem: «Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die nötige Gesetzesgrundlage bestehe und die Umsetzung Sache der Tarifpartner sei. Nur funktioniert das eben nicht», sagt er. Dass sich der Bundesrat künftig für die Regelung der Dolmetscherdienste starkmachen will, sei zwar schön. Aber dazu habe er ja schon lange die Gelegenheit.
Abwarten und beobachten?
«Wir können also entweder weiterhin zuwarten und beobachten, ob sich das BAG und die Tarifpartner untereinander auf eine Lösung verständigen können; nur stimmen die erfolglosen Versuche der letzten Jahre eher wenig optimistisch», so Müller.
Genau das scheint der Bundesrat zu tun: «Liegt es wirklich jedesmal am Bund, eine Gesetzesänderung vorzunehmen, nur weil die Tarifpartner ihre Arbeit nicht machen oder das Problem nicht lösen?» fragt Bundesrat Alain Berset rhetorisch. «Sie kennen doch die Tarifpartner», so Berset an die Adresse der Ratsmitglieder, «sagt ihnen, das Problem sei wichtig und sie mögen es doch endlich lösen.»
Wieweit Dolmetscherdienste über die Grundversicherung abgerechnet werden können, sei Sache der Tarifpartner, erklärt Gesundheitsminister Alain Berset in der Ständeratsdebatte. | Screenshot
Das sagt das Gesetz
Gemäss dem
Krankenversicherungsgesetz (KVG) stellen Dolmetscherdienste keine Leistungen dar, die der direkten Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen.
Zudem gehören professionelle interkulturelle Dolmetschende nicht zu den Leistungserbringern, die zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung abrechnen können.
Professionelle Dolmetschdienste können jedoch als Teil der medizinischen Leistung betrachtet werden, wenn sie sich als einzig mögliche Lösung für die Durchführung einer medizinischen Untersuchung oder Behandlung erweisen. Oder wenn sie für den therapeutischen Erfolg unerlässlich sind.
Das gilt auch für gehörlose Menschen, die auf eine Verdolmetschung in Gebärdensprache angewiesen sind.
Laut dem FDP-Ständerat Damian Müller kostetn Dolmetschleistungen weniger als die Fehlversorgung aufgrund sprachlicher Hürden. | Screenshot