«Die Zeit rennt den Kinderspitälern davon»

Das Problem der unterfinanzierten Kindermedizin ist längst bekannt und im Bundesparlament wiederholt ein Thema. Der Bundesrat weist die Verantwortung von sich.

, 15. März 2023 um 18:07
image
Ständerätin Maya Graf: «In dieser Situation ist es wirklich unverständlich, dass nicht gehandelt wird-» | Screenshot
Die ständerätliche Sozialkommission beauftragte den Bundesrat in einer Motion, geeignete Massnahmen zu treffen um sicherzustellen, dass die Leistungen der Kinderspitäler sowohl für ambulante als auch für stationäre Behandlungen sachgerecht abgebildet und kostendeckend vergütet werden. Das war am 19. August 2019. Beide Kammern stimmten der Motion zu, zuletzt der Nationalrat in der Herbstsession 2020.
Was ist seither passiert? «Nicht viel». Das ist zumindest die Meinung von Mitte-Ständerat Benedikt Würth. Er sagte dies am Mittwoch im Ständerat beim Traktandum seiner Interpellation. Mit seinem Vorstoss wollte der St. Galler noch einmal Druck machen, damit der Bundesrat in dieser Sache endlich aktiv wird und die Verantwortung nicht auf die Tarifpartner abschiebt.

image
Benedikt Würth kritisiert die anhaltende Unterfinanzierung der Jugend- und Kindermedizin. | Screenshot
Der Mitte-Politiker erhielt Unterstützung von rechts bis links. «Die Zeit rennt den Kinderspitälern, der Jugend- und Kindermedizin davon», erklärte die grüne Maya Graf. Seit Jahren bestehe Einigkeit über die Tarifprobleme bei den Kinderspitälern. Die Kinder- und Jugendmedizin sei stark unter Druck, Kindernotfallstationen und stationäre Abteilungen stark ausgelastet. «In dieser Situation ist es wirklich unverständlich, dass nicht gehandelt wird», sagte die Baselbieterin.
Josef Dittli, der Urner FDP-Ständerat, nutzte als Curafutura-Präsident die Gunst der Stunde, um auf die lange Geschichte des Tarifwerks Tardoc hinzuweisen. «Ich kann Ihnen sagen, dass der Tardoc dieses Anliegen einer gerechten Abgeltung der Kindermedizin erfüllen wird», sagte er. Es sei daher wichtig, dass es beim Tardoc keine weiteren, unnötigen Verzögerungen gebe.
Sozialminister Alain Berset findet die Kritik des Interpellanten Würth «etwas hart». Eloquent wie immer erklärte er, das Mindeste, das man vom Bundesrat erwarten dürfe, sei das Respektieren der gesetzlichen Rahmenbedingungen, und dass er innerhalb dieser Rahmenbedingungen alles tue, um die Dinge voranzutreiben und Lösungen zu finden.

image
Curafutura-Präsident Josef Dittli: «Ich kann Ihnen sagen, dass der Tardoc das Anliegen einer gerechten Abgeltung der Kindermedizin erfüllen wird.» | Screenshot
Doch laut Alain Berset müsse man differenzieren. Im stationären Bereich seien die Probleme gelöst worden. Das hätten ihm Branchenvertreter bestätigt. Probleme der Unterfinanzierung bestünden aber tatsächlich im ambulanten Bereich.

Berset verweist auf die Tarifautonomie

Und dann machte der Magistrat gerade das, was ihm vorgeworfen wird: das Abschieben der Verantwortung. «Die Regeln sind klar», sagte er, «wir haben das, was man eine Tarifautonomie nennt». Und weiter sagte Alain Berset: «Wenn Sie eine Verstaatlichung des Gesundheitswesens wollen, ändern Sie das Gesetz und geben Sie dem Bundesrat die Möglichkeit, Massnahmen zu treffen, ohne dabei das geltende Recht zu verletzen.»
In diesem Zusammenhang sei an das Interview mit dem Gesundheitsökonomen Willy Oggier erinnert. Er sagte hier gegenüber Medinside: «Dass der Tardoc immer noch nicht genehmigt wurde, ist ein politisches Trauerspiel.» Genehmigungsinstanz sei der Bundesrat. Er hätte dessen Einführung beschliessen können.
image
Sozialminister Alain Berset: «Die Regeln sind klar. Wir haben das, was man eine Tarifautonomie nennt.» | Screenshot

    Artikel teilen

    Loading

    Kommentar

    Mehr zum Thema

    image

    UPK Basel: Wechsel an der Spitze

    Nach 14 Jahren tritt Konrad Widmer als Präsident der Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel zurück. Katja Schott-Morgenroth übernimmt den Vorsitz, Jürg Nyfeler rückt in den Verwaltungsrat nach.

    image

    Unfruchtbarkeit: Neue WHO-Leitlinie zu Prävention, Diagnose und Behandlung

    Die Weltgesundheitsorganisation fordert in der ersten globalen Leitlinie zu Infertilität umfassende Reformen, damit Fertilitätsmedizin sicherer, gerechter und erschwinglicher wird.

    image

    Bürokratie in der Reha - Kritik am Bundesrat

    Die Antwort der Regierung auf eine Interpellation zur Entlastung der Rehabilitation überzeugt kaum – Reformvorschläge bleiben vage, die Frustration wächst.

    image

    Präzision trifft Innovation: roboter-assistierte Bronchoskopie für die Lungenkrebs-Frühdiagnostik in der Schweiz

    Lungenkrebs stellt in der Schweiz eine gesundheitliche Herausforderung dar. Jährlich erkranken etwa 4.900 Menschen neu, rund 3.300 Personen sterben an den Folgen dieser Erkrankung. Damit gehört Lungenkrebs zu den häufigsten und tödlichsten Krebsarten im Land. [1]

    image

    Mehr Pflegepersonal = weniger Ärzte-Burnout

    Eine grosse Erhebung in sieben Ländern zeigt: Dort, wo Pflege stark vertreten ist und Arbeitsumgebungen stimmen, bleiben Ärztinnen und Ärzte länger im Beruf.

    image

    Spitex Zürich erhält einen neuen CEO

    Der Geschäftsleiter der Regio-Spitex Limmattal wird der neue Chef der Spitex Zürich. Der bisherige CEO, Markus Reck, geht in Pension.

    Vom gleichen Autor

    image

    Das Kostenfolgemodell lässt auf sich warten

    Der Ständerat überweist die Motion Wasserfallen an die zuständige Kommission. Man nennt dies Verzögerungstaktik.

    image

    «Die Angehörigenpflege darf nicht zu einem Geschäftsmodell werden»

    Ambitionslos und verantwortungslos - die SP-Nationalrätin Ursula Zybach ist vom Bericht des Bundesrats enttäuscht.

    image

    Spitallisten: Druck auf Kantone nimmt zu

    Wie der Ständerat macht auch der Nationalrat Druck, damit die Kantone die Spitalplanung und die Leistungsaufträge aufeinander abstimmen.