Wie sich ein ehemaliger Spital-Chef mit dem EPD abmüht

So erlebte Fredy Sidler, der ehemalige VR-Präsident des Bieler Spitalzentrums, die Eröffnung des EPD.

, 4. August 2023 um 09:19
image
Fredy Sidler betrachtet das EPD als eine segensreiche Einrichtung und würde es begrüssen, wenn es nicht schon vor seiner Geburt bürokratisch abgetrieben würde.
Fredy Sidler war in Biel so etwas wie eine moralische Instanz. Über zwanzig Jahre war er Direktor der Bieler Ingenieurschule, besser bekannt als Technikum, das damals über die Kantonsgrenzen hinweg einen sehr guten Ruf genoss (was man heute von der Fachhochschule kaum behaupten würde).
Und als 2010 der heillos zerstrittene Verwaltungsrat des Spitalzentrums Biel eine personelle Auffrischung benötigte, war es der damals 65-jährige Fredy Sidler, der von der bernischen Fürsorge- und Gesundheitsdirektion zum VR-Präsidenten vorgeschlagen wurde. In dieser Funktion blieb er bis 2019.
Und nun wollte also der ehemalige Direktor des «Bieler Tech» ein elektronisches Patientendossier (EPD) eröffnen, wie er in der NZZ in einem Leserbrief schreibt. Da sei ihm schon bald klar geworden, «dass für die Erlangung eines EPD ein Hochschulabschluss in gehobener Informatik oder fortgeschrittener Bürokratie hilfreich wäre», schreibt er. Dabei muss man wissen, dass Fredy Sidler Mitte der Siebziger Jahre an der Hochschule St. Gallen zum Dr. oec. HSG promovierte.
«In zwei langen Prozessen erlangte ich – gepeinigt mit vielen neuen und nicht auf Anhieb verständlichen Fachbegriffen – schliesslich die geforderte TrustID-Verifizierung und erhielt anschliessend von eSanita den Antrag zur EPD-Eröffnung. Wohlverstanden: den Antrag, nicht das EPD», schreibt Sidler.
Dann wurde er zum nächsten Schritt aufgefordert: Er solle sich mit der TrustID-Referenz, dem unterschriebenen Antragsformular von eSanita und dem Pass oder der ID persönlich zu einer EPD-Eröffnungsstelle begeben.
«Nach allem, was ich kapiert hatte, sind mit EPD-Eröffnungsstellen Spitäler und Arztpraxen gemeint. Also ging ich zu «meinem» Gesundheitszentrum, aber niemand wusste dort etwas vom EPD. Man mutmasste, eSanita könnte mit der EPD-Eröffnungsstelle gemeint sein.»
Wie nun der 78-Jährige schreibt, habe ihn diese Konfusion keineswegs geärgert, eher belustigt. «Ich fühlte mich jugendlich wie vor bald sechzig Jahren, als ich mit Vergnügen Kafka las. Zu Hause googelte ich dann weiter und stellte fest, dass es in vielen Kantonen noch gar keine EPD-Eröffnungsstellen gibt.»
Und schliesslich: «Da ich das EPD für eine segensreiche Einrichtung halte, würde ich es begrüssen, wenn es nicht schon vor seiner Geburt bürokratisch abgetrieben würde.»
  • Fredy Sidler
  • EPD
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Die Schweizer Digital-Health-Branche trifft sich auf der DMEA in Berlin 

Bald ist es wieder soweit: Auf dem Berliner Messegelände vereinigt die DMEA die Digital-Health-Expertinnen und -experten von Europa. Rund 700 Aussteller und 300 Speaker präsentieren Lösungen und Produkte.

image

Ältere Ärztinnen und Ärzte werden vom EPD befreit - wenigstens vorläufig

Wird die Ärzteschaft dazu gezwungen, das EPD bereits in zwei Jahren aufzuschalten, könnten die älteren Semester vorzeitig abspringen.

image

EPD: Übungsabbruch ist kein Thema

Nach dem Nationalrat stimmt am Dienstagmorgen auch der Ständerat einer Übergangsfinanzierung für das EPD zu.

image
Gastbeitrag von Felix Schneuwly

EPD: Noch mehr Geld und Zwang machen es auch nicht besser

Ein brauchbares elektronisches Patientendossier wäre überfällig. Aber weiterhin sind wichtige Fragen offen. Zum Beispiel: Wie müsste das EPD sein, damit es auch genutzt wird? Warum fehlen viele praktische Features?

image

Precision Oncology: Neue Zusammenarbeit von Roche und USZ

Es geht um die gemeinsame Nutzung von Daten respektive deren Einsatz im klinischen Alltag.

image

Ein EPD kann jetzt im ganzen Land online eröffnet werden

Bei der Stammgemeinschaft der Post lässt sich nun schweizweit ein Patientendossier online eröffnen. Neun Kantone übernehmen die Kosten – ansonsten kostet es 15 Franken.

Vom gleichen Autor

image

«Genau: Das Kostenwachstum ist kein Problem»

Für FMH-Präsidentin Yvonne Gilli ist klar: Es braucht Kostenbewusstsein im Gesundheitswesen. Aber es braucht keine Kostenbremse-Initiative.

image

«Kein Mensch will Rationierungen»

Für Santésuisse-Präsident Martin Landolt würde die Kostenbremse-Initiative nicht zu Qualitätsverlust führen. Solange die Bundespolitik ihre Hausaufgaben macht.

image

«Die Spitäler sind selber schuld»

Santésuisse-Präsident Martin Landolt über defizitäre Spitäler, den Tardoc-Streit, ambulante Pauschalen und unnatürliche Kooperationen.