Pflege: Zwei von drei Mitarbeitenden gehen krank zur Arbeit

Das Personal in Alters- und Pflegeheimen leidet an Energielosigkeit oder Schlafstörungen. Dies und weiteres zeigt eine neue Erhebung zur Situation des Pflege- und Betreuungspersonals.

, 19. Oktober 2021 um 10:30
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Die physischen und psychischen Belastungen in der Pflege sind hoch. Und der Druck auf das Pflege- und Betreuungspersonal ist gross. Mit der Covid-19-Pandemie ist dieser Druck noch gestiegen. Dies gilt sowohl für die Akutpflege als auch für das Pflege- und Betreuungspersonal in der Langzeitpflege. 

Zwei von zehn denken über Ausstieg nach

Wie schwierig die Arbeitsbedingungen in den Alters- und Pflegeheimen sind, zeigt eine aktuelle Analyse des Gesundheitsobservatoriums (Obsan). Demnach ziehen mehr als zwei von zehn Personen in Betracht, die Tätigkeit im Alters- und Pflegeheim ganz aufzugeben. Dies, um beispielsweise in einen anderen Bereich ausserhalb der Pflege zu wechseln. Allerdings bestehen grosse Unterschiede nach Bildungsniveau, was zugleich die Rekrutierungsschwierigkeiten insbesondere auf Tertiärstufe verschärft.
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Screenshot Obsan

Jüngere leiden öfters an Rückenschmerzen

Gemäss Erhebung beklagt sich das Personal nicht nur über die teilweise schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Ein beträchtlicher Teil der Pflege- und Betreuungsmitarbeitenden berichtet auch, stark an Gesundheitsproblemen zu leiden: etwa Müdigkeit, Rückenschmerzen oder starke Schlafstörungen.
Der Anteil angestellter Personen in Alters- und Pflegeheimen, die an Rückenschmerzen leiden, ist bei den Personen unter 30 Jahren höher als bei den Personen über 50 Jahren. Insgesamt ist das Personal mit Abschluss Fähigkeitszeugnis oder Berufsattest am stärksten von diesen Problemen betroffen. 
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Screenshot Obsan

Phänomen «Präsentismus» betrifft alle

Die Erhebung, die bereits vor der Corona-Pandemie durchgeführt wurde, gibt auch Aufschluss über Absenzen. So geben rund 60 Prozent des Personals an, in den letzten 12 Monaten wegen Krankheit oder Unfall bei der Arbeit gefehlt zu haben. Besonders problematisch: Zwei Drittel sind nach eigenen Aussagen mindestens an einem Tag zur Arbeit erschienen, obwohl sie krank waren oder sich arbeitsunfähig fühlten. Hier gibt es kaum Unterschiede nach Bildungsniveau.
Grund für diesen «Präsentismus» ist wohl die schwierige Stellvertretungsmöglichkeit. In 21 Prozent der Einrichtungen ist es nämlich nicht möglich, fehlendes Personal zu ersetzen, während 20 Prozent auf externe Ressourcen wie temporäre Arbeitskräfte setzen. Knapp 60 Prozent können auf interne Ressourcen zurückgreifen.

Personal ist trotzdem relativ zufrieden

Die Umfrage mit mehr als 4 400 Pflege- und Betreuungspersonen zeigt schliesslich, dass die grosse Mehrheit mit der Arbeitsstelle im Alters- und Pflegeheim dennoch zufrieden ist. Unabhängig vom Bildungsniveau geben über 80 Prozent an,« eher» oder «sehr zufrieden» zu sein. 
Eine Ausnahme bildet allerdings der Lohn: Lediglich 54 Prozent des Personals ist eher oder sehr zufrieden mit ihrem Lohn. Verglichen mit der Bezahlung in vergleichbaren Berufen zeigt sich das Pflege- und Betreuungspersonal zudem nur zu 45 Prozent zufrieden mit dem Lohn.
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Screenshot Obsan
  • Favez, L. & Zúñiga, F. «Die Situation des Personals in Alters- und Pflegeheimen». Schweizerisches Gesundheitsobservatorium. Obsan Bulletin 05/2021.
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