Warum streikende Ärzte die Sterberate sinken lassen

Harvard-Forscher haben die Auswirkungen von Ärztestreiks auf Patienten untersucht. Die Mediziner kamen zu einem erstaunlichen Ergebnis.

, 30. November 2015 um 06:00
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Was passiert, wenn Ärzte kollektiv ihre Arbeit verweigern? Das hat ein Forschungsteam der Harvard Medical School in Boston untersucht. 
Das Ergebnis: Während eines Ärztestreiks sterben laut der Studie nicht mehr Menschen als sonst, an manchen Orten sogar weniger.

Zusammenhang zwischen Streik und Mortalität

«Patienten kommen nicht ernsthaft zu Schaden, wenn Ärzte die Arbeit niederlegen. Immer vorausgesetzt, eine Notfallversorgung bleibt gewährleistet», sagte Studienautor und Mediziner David Metcalfe.
Er und seine Kollegen untersuchten einige grosse Streiks in wohlhabenden Ländern. Ein paar Beispiele aus der im «British Medical Journal» publizierten Studie:

  • Während eines fünfwöchigen Streiks in Los Angeles im Jahr 1976, an dem bis zu 50 Prozent der Ärzte beteiligt waren, sank sogar die Sterblichkeit in der bestreikten Region.
  • 1983 streikten 73 Prozent der Ärzte in Jerusalem vier Monate lang und verweigerten den Dienst in den Krankenhäusern. Die Mortalität blieb davon unbeeinflusst.
  • In Spanien traten 1999 Assistenzärzte neun Tage in den Streik, was an den Sterblichkeitsziffern nichts änderte.
  • Bei einem weiteren, dreimonatigen Ärztestreik in Jerusalem im Jahr 2000 ging die Zahl der Begräbnisse im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurück.
  • 2003 streikten die Ärzte in Kroatien für vier Wochen, ein Einfluss auf die Mortalität war nicht zu beobachten.
  • Ein eintägiger Streik der Ärzte im Vereinigten Königreich 2012 liess die Sterblichkeit unverändert; allerdings hatten sich nur 8 Prozent der Mediziner daran beteiligt.

Notdienst muss gesichert sein

In der Studie wurden nur die Todeszahlen als negative Folge für Patienten herangezogen. Während eines geplanten Streiks muss laut Studienautoren immer eine Notfallversorgung akuter Fälle gegeben.
Das heisst umgekehrt: Nicht lebensnotwendige Eingriffe, etwa ein Leistenbruch oder die Operation der Mandeln werden aufgeschoben.
David Metcalfe, Ritam Chowdhury, Ali Salim: «What are the consequences when doctors strike?», in: «British Medical Journal», November 2015; 351: h6231 
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