Wann ersetzt der Bundesrat seine umstrittene Task-Force?

Die Covid-19-Task-Force kommt immer mehr in die Kritik. Ein Rätsel ist: Warum hat der Bundesrat statt ihr nie seine erfahrene Pandemie-Kommission zu Rate gezogen?

, 7. April 2021 um 09:37
image
Wieder gibt es Kritik an der Covid-19-Task-Force des Bundes: Einige Mitglieder hätten heikle Interessenbindungen zu Impfstoffherstellern, schreibt das Konsumentenmagazin «K-Tipp» in seiner neusten Ausgabe.

In einer Jury von Pfizer

Daniel Speiser und Christian Münz seien keine «neutralen Impfstoff-Experten». Obwohl sie in den Medien ständig so dargestellt würden. Speiser hat ein Beratungsmandat beim deutschen Impfstoffhersteller Curevac. Münz sitzt in der Jury des Forschungspreises, den das Pharmaunternehmen Pfizer jährlich vergibt.
Des Weiteren ist Suzanne Suggs, Professorin für Sozialmarketing in Lugano, auch Mitglied im Beratungsgremium für Impfstoffe beim Pharmakonzern MSD. Und der Infektiologe Thierry Calandra berät mehrere Pharmakonzerne.

Zu wenig Ärzte in der Task-Force?

Ihre Interessensbindungen legen alle derzeit 76 Mitglieder der Task-Force auf der Website zwar offen. Trotzdem zweifelt der «K-Tipp» an der Unabhängigkeit der Beraterinnen und Berater. Die Zeitschrift kritisiert auch, dass es kaum praktizierende Ärzte und Ärztinnen im Gremium habe.
Ein Blick in die Mitgliederliste zeigt in der Tat: In der Task-Force sitzen bekannte Leute wie der Bildungsforscher Stefan Wolter und die Ökonomin Monika Bütler. Hingegen ist mit Felix Huber, dem Präsidenten der Praxis-Gruppe Medix, nur ein Hausarzt im Gremium vertreten.

Warum nicht die Pandemie-Kommission?

Seltsam ist die Rolle der Task-Force auch deswegen, weil der Bundesrat eigentlich gar nicht auf dieses selbsternannte Gremium angewiesen wäre.
Seit Jahren gibt es beim Bund nämlich eine unabhängige ausserparlamentarische Expertengruppe, die Eidgenössische Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung, kurz EKP genannt. Der Bundesrat wählt deren 14 Mitglieder.

BAG widerspricht sich selber

Aus jedem Landesteil ist zum Beispiel eine Ärztin oder ein Arzt vertreten: Die Infektiologin Anne Iten arbeitet an den Genfer Universitätsspitälern (HUG). Domenica Flury ist Oberärztin an der Klinik für Infektiologie und Spitalhygiene am Kantonsspital St. Gallen. Und Christian Garzoni ist Internist an der Luganeser Klinik Moncucco. Auch Andreas Hintermann, der Zürcher Kantonsapotheker, und der Tessiner Kantonsarzt Giorgio Merlani sind in dieser Kommission vertreten.
Doch warum spielt die EKP in der Corona-Pandemie keine Rolle? Ein Sprecher des Departements des Innern sagte gegenüber dem «K-Tipp», Kernaufgabe der Kommission sei es, «den Bund bei der Vorbereitung von Pandemien zu beraten». Auf der Internetseite des Departments hingegen heisst es: «Im Ereignisfall übernimmt die EKP eine beratende Funktion in Fragen der Lage- und Risikobeurteilung sowie in der Wahl der Strategien und Massnahmen zur Bewältigung einer Pandemie».

BAG wollte sich «bei Bedarf» melden

Doch genau darauf verzichtete das Bundesamt für Gesundheit (BAG). Das sagte die Präsidentin der Kommission, Anne Iten: «Als die Krise kam, habe ich das BAG auf die Erwartungen an die Kommission angesprochen. Man sagte mir im BAG, man werde sich bei Bedarf melden. Bis dahin solle jeder an seinem Platz weiterarbeiten. Das haben wir getan», sagte sie vor einem Jahr gegenüber Radio SRF.
Und dabei ist es geblieben. Offenbar hatte niemand Bedarf an der Hilfe der EKP. In der Zwischenzeit wachsen die Zweifel an der Rechtmässigkeit der Task-Force. Medinside berichtete hier darüber.

Task-Force schlug sich selber zur Wahl vor

In einem seltsamen Licht erscheint rückblickend vor allem die Entstehung der Task-Force: Das Gremium unter der Leitung Martin Ackermann hat sich vor einem Jahr selber dem Bundesrat als Berater-Team vorgeschlagen.
Doch auch das Verhalten der Task-Force gibt immer öfter Anlass zu Diskussionen: Sie beschränkt sich nämlich selten auf die blosse Beratung des Bundesrats im Hintergrund. Immer wieder gibt es Mitglieder, die sich selber in den Medien zu Wort melden und ihre eigene Meinung vertreten.

Wann wird die Task-Force aufgelöst?

Unklar ist auch, wie lange die Task-Force noch arbeitet; und wann sie sich auflösen wird. Vermutlich wird sie dies – genau wie seinerseits ihre Gründung – intern regeln.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Long Covid: Nun hat auch die Schweiz Leitlinien

Wer an Post-Covid-19 erkrankt, soll rasch eine Diagnose erhalten. Einheitliche Behandlungsempfehlungen für Grundversorger sollen dabei helfen.

image

«Der Pflegeberuf braucht eine Imagekorrektur»

Bis Ende dieses Jahrzehnts braucht die Schweiz 30 Prozent mehr Pflegefachpersonen. Das Dilemma: die Ausbildungszahlen stagnieren oder sind gar rückläufig.

image

Knall beim Kantonsspital Winterthur

Gleich zwei Schlüsselfiguren verlassen das KSW per Frühling 2024: CEO Hansjörg Lehmann und Chief Nursing Officer (CNO) Susanna Oechslin gehen.

image

Ab morgen gilt das neue Datenschutzgesetz!

Am 1. September 2023 tritt das revidierte Datenschutzgesetz in Kraft. Was dieses für Arztpraxen und Spitäler bedeutet, erklärt der Anwalt und Datenschutzexperte David Vasella im Interview.

image

Was darf ein zusätzliches Lebensjahr kosten?

Für hochinnovative Medikamente müssen teils astronomische Summen bezahlt werden. Zugleich warten wir oft viel länger auf die Zulassung als unsere europäischen Nachbarn.

image

Hier drohen die gefährlichsten Fehldiagnosen

Gut zu wissen fürs Vermeiden von Fehlern: Es gibt fünf Erkrankungen, bei welchen falsche Diagnosen besonders schwere Folgen haben.

Vom gleichen Autor

image

Die vier Möglichkeiten für eine neue Krankenversicherung

Die Krankenkassen erhöhen ihre Prämien nächstes Jahr vermutlich wieder massiv. Politiker schlagen deshalb neue Versicherungs-Modelle vor.

image

Experte widerspricht dem «Märchen» von den hohen Reserven

«Die Kassen schwimmen im Geld», schrieb der «K-Tipp». Versicherungsfachmann Felix Schneuwly ist anderer Meinung: Die Reserven seien gering.

image

Diese fünf Behandlungen sollten sich Spitäler sparen

Keine vorbeugenden Antibiotika und keine Schlafmittel-Rezepte für zuhause: Das sind zwei von fünf neuen Empfehlungen für Spital-Ärzte.