Warum diese Krankenkasse gegen die Digitalisierung ankämpft

Die Krankenkasse Turbenthal funktioniert ganz ohne Computer. Dem Bundesamt für Gesundheit ist das nun ein Dorn im Auge: Jetzt kommt es zum Showdown vor Bundesgericht.

, 13. Februar 2017 um 09:23
image
  • versicherer
  • politik
  • digitalisierung
Kein Fax, kein Handy, keine Webseite. Nur mit Schreibmaschine und Telefonanschluss führt Geschäftsführer Daniel Rüegg die Krankenkasse Turbenthal. Die «Daten» von rund 400 Versicherten hält Rüegg auf Karteikarten fest.
Oft haben neue Verordnungen «seine Kasse» bedroht. Und seit eh befindet sich die Krankenkasse im Clinch mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG). Denn aus Bundesamts-Sicht ist die Krankenkasse wohl zu anachronistisch. 

Bundesamt will Digitalisierung

Bislang konnte man sich aber immer einigen. Doch diesmal scheint es anders zu sein: Das BAG hat Daniel Rüegg vor Bundesverwaltungsgericht gezerrt. Dies berichtete vor kurzem das Lokalblatt «Der Tössthaler».
Das BAG verlangt von der Krankenkasse per Verfügung im Wesentlichen eine «differenzierte Lieferung» der Daten, die Einführung elektronischer Versichertenkarten und die Teilnahme an einer Plattform für Prämienverbilligungen. 

Daniel Rüegg zeigt sich kämpferisch

Kurz: Die Krankenkasse Turbenthal müsste auf Computer umstellen. Dies würde die Verwaltungskosten massiv ansteigen lassen – laut Rüegg um 65 Prozent. 
In der Konsequenz müsste die Kasse Rüegg zufolge aufgelöst oder in eine Grosskasse integriert werden. So weit will es der 63-Jährige aber nicht kommen lassen. Er will vor Bundesverwaltungsgericht kämpfen, wie er der Lokalzeitung sagte. 

Ein-Mann-Betrieb mit günstigen Prämien

Die Krankenkasse Turbenthal existiert seit 1888; seit rund 30 Jahren führt Daniel Rüegg die Geschäfte als Präsident und Geschäftsführer. Alle 400 Versicherten sind ihm persönlich bekannt. Die Krankenkasse bietet exklusiv für Einwohner der Gemeinden Turbenthal, Wila und Wildberg im zürcherischen Tösstal eine Grundversicherung mit Franchise von 300 Franken an – relativ günstig. Noch vor 50 Jahren hatten viele Gemeinden der Schweiz ihre eigenen Kassen. Von ehemals knapp 1’000 Kassen sind nach Fusionen und Übernahmen heute nur noch wenige übrig (mehr hier).
  • TV-Beitrag auf SRF: «Seit 1888 ohne Computer: Eine Kleinkrankenkasse jubiliert.» September 2013
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Ein wegweisendes Urteil für Krankenversicherer: Bahn haftet

Eine Krankenkasse kann von einem Bahnunternehmen die Heilungskosten zurückverlangen, wenn ein Fahrgast unverschuldet gestürzt ist.

image

Der Fehltritt einer KPT-Firma: Vermittler hinterging Neukunden

Die neue Vermittlungsfirma der KPT-Krankenkasse nutzte unlautere Methoden, um neue Versicherte zu gewinnen.

image

Spitex-Organisationen sollen keine Mehrwertsteuer mehr bezahlen müssen

Die Leistungen aller Spitex-Organisationen in den Bereichen Haushalthilfe und Betreuung sollen künftig von der Mehrwertsteuerpflicht ausgenommen werden.

image

Prämienverbilligung: Nationalrat hält am Ausbau des Systems fest

Anders als der Ständerat will der Nationalrat den Ausbau der Prämienverbilligungen nicht vor sich herschieben. Er hält am indirekten Gegenvorschlag fest.

image

Horrender Lohn im Luks-Verwaltungsrat gibt zu reden

Der VR-Präsident des Luzerner Kantonsspitals hat in den letzten Jahren satte Lohnerhöhungen erhalten. 2021 soll die Luzerner Regierung damit die eigenen Vorgaben gesprengt haben.

image

Die Spielsucht in der Schweiz hat sich verdoppelt – nun handeln die Kantone

Eine neue eGames-Studie zum Online-Geldspielverhalten in der Schweizer Bevölkerung zeigt besorgniserregende Zahlen. Jetzt schalten sich die Kantone ein.

Vom gleichen Autor

image

Berner Arzt hat Aufklärungspflicht doch nicht verletzt

Im Fall einer Nasen-OP mit Komplikationen verneint das Bundesgericht eine Pflichtverletzung eines Berner HNO-Arztes. Die Vorinstanzen haben noch anders entschieden.

image

Warum hunderte Pflegekräfte derzeit «Rücktrittsschreiben» verfassen

Eigentlich möchten viele Pflegefachpersonen ihrem Beruf gar nicht den Rücken kehren. Doch das System zwingt sie dazu, wie eine aktuelle Kampagne in den USA exemplarisch zeigt.

image

Ärzte erhalten von Ärzten eine Sonderbehandlung

Ärzte als Patienten kriegen bestimmte Privilegien, die andere Patienten oder Patientinnen nicht erhalten würden. Dies sagt die grosse Mehrheit der in einer Studie befragten Ärzte.