Ärzte in der Schweiz müssten mehr Lipidsenker verschreiben

Wenn sich Ärztinnen und Ärzte an die Leitlinien halten würden, könnte das Risiko für Herzinfarkte stärker gesenkt werden. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie.

, 4. Juni 2020 um 05:46
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Eine Studie im Auftrag des Swiss Medical Board (SMB) hat die Verschreibung von Statinen in der Schweiz untersucht. Die Autoren stellen fest: Leitlinien der Fachgesellschaften werden nur ungenügend befolgt. Diese zeigen, wann und in welcher Höhe Medikamente zu verabreichen sind, um den erhöhten Blutfettspiegel zu senken. 
Die Studie, durchgeführt vom Institut für Hausarztmedizin der Universität Zürich (UZH), analysierte über 11'700 mit Statin behandelte Patienten. Die Daten stammten aus der Fire-Datenbank, für die rund 400 Hausärztinnen und -ärzte riesige Mengen an Behandlungsdaten anonymisiert zur Verfügung stellen.  

Mann-Frau-Unterschiede bei den LDL-Zielwerten

Obwohl bei mehr als der Hälfte der Patienten (59 Prozent) ein «hohes» oder «sehr hohes» Risiko einer tödlichen Herz-Kreislauf-Krankheit bestand, erhielt die Mehrheit der Patienten keine hochintensive Statin-Behandlung, wie es für die Schweiz gültige Leitlinie vorsehen würde. Und nur ein Drittel dieser Patienten erreichte die empfohlenen LDL-Zielwerte.
Zudem gab es bei der Erreichung der LDL-Zielwerte einen Geschlechterunterunterschied: Die Werte der Frauen waren signifikant schlechter, wie aus der vor kurzem in der Zeitschrift «Swiss Medical Weekly» veröffentlichten Studie weiter hervorgeht.
Rachamin Yael, Meier Rahel, Rosemann Thomas, Langenegger Stefan, Markun Stefan. «Statin treatment and LDL target value achievement in Swiss general practice – a retrospective observational study», in: «Swiss Medical Weekly». 27.05.2020.

Studienautoren: «Es liegt eine Unterversorgung vor»

Aus Sicht der Studienautoren gibt es mehrere Gründe für diese Beobachtungen: So sei bekannt, dass Statin-bedingte Nebenwirkungen bei 10 Prozent der Patienten zum Abbruch der Behandlung führen würden. Dennoch erkläre dies alleine nicht das Ausmass der Diskrepanz zwischen Leitlinie und Praxis.
Es sei auch davon auszugehen, dass die medikamentöse Behandlung «nicht im empfohlenen Ausmass zur Anwendung kommt». Die Studienautoren ziehen daraus den Schluss, dass das kardiovaskuläre Risiko in der Schweiz stärker gesenkt werden könnte und in diesem Bereich aktuell eine Unterversorgung vorliege.

Erhöhte Blutfettwerte als ein Risikofaktor für Herzinfarkte

Die Analyse entstand vor dem Hintergrund, dass die US-amerikanische Leitlinie der American College of Cardiology (ACC) von der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) abweicht. Die ACC-Leitlinie sieht ausdrücklich davon ab, LDL-Zielwerte festzulegen, da dies möglicherweise nur einen geringen Nutzen, jedoch auf jeden Fall zusätzliche Kosten verursache.
Kardiovaskuläre Erkrankungen verursachen weltweit die meisten Todesfälle. Es handelt sich dabei um Verengungen oder gar Verschlüsse von Blutgefässen; beim Herzen kann es dadurch zu einem Herzinfarkt kommen. Als eine der Ursachen für kardiovaskuläre Erkrankungen gilt die Erhöhung bestimmter Blutfettwerte, namentlich von LDL-Cholesterin.
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