Spital-CEO der Zukunft: «Mit welchem CEO überlebt mein Spital?»

Die Transformation der Spitallandschaft ist im Gange. Viele Häuser stehen vor Veränderungen, kämpfen mit Ertragsproblemen, stehen vor Existenzfragen oder müssen ihre Infrastruktur auf die Bedürfnisse der nächsten 30 Jahre Spitalmedizin ausrichten. Was heisst das für das künftige CEO-Profil?

, 24. Juli 2019 um 06:44
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In den letzten Monaten hat die Transformation der Spitallandschaft Schweiz an Fahrt aufgenommen. Unter dem Kosten-, Qualitäts- und Wettbewerbsdruck gehen Spitäler Kooperationen ein, Verändern ihr Leistungsangebot, wechseln Angebote von ambulant zu stationär, fusionieren oder schliessen. Vor diesem Hintergrund sind die Einflüsse und Trends im Spitalumfeld vielfältig und komplex – sie umfassen heute medizinische Veränderungen wie neue Diagnosen und Therapien; neue Technologien - oft unter dem Schlagwort der Digitalisierung subsummiert - hinterlassen ihre Spuren; hinzu kommen gesellschaftliche und politische Faktoren wie Anspruchshaltung, «Patient Empowerment», Demographie, Tarifwillkür und immer mehr Regulatorien. Sie alle belasten die Betriebe und bedingen betrieblich-organisatorische Anpassungen und neue interne und externe Prozesse. Vor allem stellt das alles erhöhte Anforderungen an die Führung unserer Spitäler – im Fokus stehen Verwaltungsräte und Unternehmensleitung, insbesondere die Direktoren (CEOs). Bereits wird vielerorts diskutiert, ob unsere Spitäler von starken Industriemanagern zu führen sind. Das besondere Dilemma dieser Branche ist, dass einerseits Persönlichkeiten gefragt sind, die diese Organisationen weiterentwickeln und neue Opportunitäten prüfen. Andererseits sind die Spitäler allesamt zu einem gewissen Grad öffentlich-rechtliche Gebilde (zumindest mit einem Leistungsauftrag der öffentlichen Hand ausgestattet), um in der Bevölkerung eine Abdeckung mit Gesundheitsleistungen sicherzustellen. Somit bewegen sie sich bezüglich Versorgungssicherheit in einem engen Korsett politischer Vorgaben, jedoch punkto Umsatz in einem freien, zunehmend umkämpften Markt.

Von stabilen Verhältnissen in ein sich stark und rasch veränderndes Umfeld

Der Wandel zum digitalen und zukunftsfähigen Spital ist ein Prozess, der das Erkennen und die Einführung neuer Technologien, Therapien und Prozesse in allen Bereichen des Betriebes umfasst - Robotik, AI und KI, Big Data, 3-D-Druck und Smart Devices bewirken Anpassungsdruck. Der Spital CEO braucht eine gesunde Neugierde und Nähe zu allen relevanten Entwicklungen rund um den Spitalbetrieb. Ein bewusstes Innovationsmanagement ist vor allem für grössere Häuser heute ein Must. Am Kantonsspital Baden (KSB) wurde zu diesem Zweck ein Health Innovation Hub gegründet. In diesem Gefäss finden Projekte mit dem PSI, dem USZ, der ETH und der FH Nordwestschweiz Platz; hinzu kommen Kooperationen mit Startups, was zu zusätzlichen Anfragen von Forschungsinstituten für Zusammenarbeitsmöglichkeiten führt.
Das moderne Spital ist längst auf dem Weg von der staatsnahen Institution zum Unternehmen im Markt. Der Einfluss der Betriebsökonomie steigt weiter stark an (Ökonomisierung). Dazu braucht der CEO selber solide (betriebs-) ökonomische Managementkompetenzen etwa zur erfolgreichen Umsetzung von Lean Hospital Konzepten. In diesem Umfeld werden die Herausforderungen anspruchsvoller, für sein Haus die richtige Strategie zu wählen. Hier kommt der Verwaltungsrat ins Spiel. An die Spital-Governance werden heute höhere Ansprüche gestellt. Verlangt ist eine höhere Interaktionsrate zwischen CEO und dem strategischen Leitungsgremium – sofern ein Verwaltungs- respektive Spitalrat wegen Verbleib der Häuser in der Verwaltung nicht überhaupt noch fehlt. Diese Professionalisierung der Governance bewirkt, dass moderne Spitäler als CEO keine (einsamen) Alleinherrscher brauchen, sondern Führungspersonen, die im interdisziplinär zusammengesetzten Verwaltungsratsgremium den willkommenen Sparringspartner sehen und diesen auch bei der Strategieumsetzung für fruchtbare Dialoge nutzen.

Aussenminister: Auf dem Weg zur integrierten Versorgung

Die Vernetzung unter den Leistungserbringern in der medizinischen Versorgung nimmt stark zu. Spitäler müssen heute kooperieren können. Die Kooperationsfähigkeit verlangt proaktives und weitsichtiges Vorgehen, um Kooperationen proaktiv zu sichern; auch die Interkation mit den Tarifpartnern (Kassen, Kanton) wird anspruchsvoller. Der CEO muss als «Aussenminister» agieren; als solcher muss er nicht nur (regional) gut vernetzt sein; auch Verhandlungsgeschick und diplomatische Qualitäten gehören zum Rucksack. Im Idealfall spricht sich der CEO mit dem VR-Präsidenten genau ab, wer von beiden welche Aussenkontakte managt, um so ein optimales Zusammenspiel zu «orchestrieren».
Im Rahmen der Kostensteigerungen häufen sich neuerdings politische Eingriffe (Berset II, Spitalvorlage Heiniger, CVP-Volksinitiative etc.). Die Fähigkeit zur politischen Interessenvertretung behält für Spitalrepräsentanten ihren hohen Stellenwert. Der CEO muss Politik und politische Prozesse verstehen; er muss bereit sein, für seine Anliegen selber oder zusammen mit dem Verwaltungsrat(s)-Präsidenten zu lobbyieren; Mitmachen in Gremien (Spitalverbände etc.) ist ein Must. 

Innenminister: Problemlösungs- und Sozialkompetenz

Die inneren gegenseitigen Abhängigkeiten der Teilgebiete - Administration, Technik, Medizin, Pflege, Logistik - wächst durch neue Technologien und deren Zwang zur Vernetzung. Im Rahmen dieser Transformation werden Teamleistungen, Interdisziplinarität und «Co-Creation» für zukunftsfähige Lösungen immer wichtiger. Der CEO muss darum ausgesprochen teamfähig sein; er muss seine GL als Coach motivieren und zu einem interdisziplinär funktionierenden «Problemlösungsboard» mit einer überzeugenden Gesamtleistung befähigen können. 
Schliesslich bleibt am Spital der Faktor Mensch stabil und zentral, da ja auch der Mensch als Patient im Mittelpunkt steht. Spitäler sind «People Business» - ganz verschiedene Berufsgruppen müssen zusammenarbeiten, um zum Erfolg in der Heilung und Pflege zu gelangen. Wo Menschen für Menschen tätig sind gelten hohe menschliche Standards. Der CEO braucht darum zu guter Letzt eine hohe Sozialkompetenz: Der Chef muss Menschen mögen, Vorbild sein und in der Lage sein, von vorne zu führen. So wird das komplexe Spitalgebilde dank motivierten und auf ein Ziel verpflichteten Mitarbeitenden zum erfolgreichen Unternehmen.
Um bestmöglich für die vielfältigen Herausforderungen der Zukunft gewappnet zu sein, rekrutieren weitsichtige Spitalführungen bereits heute starke Führungspersönlichkeiten aus anderen Industriezweigen als der Gesundheitsbranche. Dies ermöglicht starke, vielfältige Impulse in den Geschäftsleitungen und sorgt dafür, dass das Althergebrachte grundsätzlich hinterfragt und nicht nur das bestehende optimiert wird. Ein weiterer Nebeneffekt kann da-bei auch sein, starke Führungspersonen für das Gesundheitswesen zu begeistern, die morgen zur Leitung eines Spitals bereit sind.
Daniel Heller ist Partner bei Farner Consulting AG. Von 2004 bis 2014 präsidierte er die FDP-Fraktion im Aargauer Grossen Rat und gehörte zu den führenden Gesundheitspolitikern. 2000 übernahm er das Präsidium der Spezialklinik Barmelweid, wandelte diese als erstes Spital im Kanton Aargau in eine gemeinnützige Aktiengesellschaft um und wurde 2014 Verwaltungsratspräsident der Kantonsspital Baden AG. Daneben hat er verschiedene Verwaltungsratspositionen im Finanzbereich. Er hat in Zürich Geschichte, Wirtschaftsgeschichte und Politikwissenschaften studiert und ist Dr. phil. I.

Co-Autor




Gilgian Eisner ist seit 2014 Partner bei schillingpartners Executive Search. Er blickt auf zahlreiche komplexe Rekrutierungen von Geschäftsleitungsmitgliedern und Spezialistenfunktionen im Healthcare-Bereich zurück. Zuvor war er in leitenden Rollen im Life-Sciences-Umfeld bei internationalen Grosskonzernen tätig. Er besitzt einen Master-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften mit Vertiefung Gesundheitsökonomie von der Universität Basel.
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