So zahlreich liess das BAG die Prämien ändern

Für das kommende Jahr hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) doppelt so viele Prämien nach unten korrigiert wie noch vor einem Jahr. Auslöser sind die Milliarden-Reserven der Krankenversicherer.

, 2. Dezember 2021 um 10:30
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Jedes Jahr muss das Bundesamt für Gesundheit (BAG) die Krankenkasse-Prämien für das kommende Jahr genehmigen. So steht es im Gesetz, weil das BAG die Aufsicht über die Krankenversicherer ausübt. Die Versicherer legen die Prämien mit komplexen Berechnungen, Hypothesen und Prognosen fest. Bereits im Trend ist die Frage, wie stark die Krankenkassenprämien im Jahr 2023 wieder steigen werden?
Die Antwort: Es kommt darauf an. Und zwar auf die Entwicklung der Gesundheitskosten – und auf das BAG. Denn das Bundesamt verlangt von den Kassen eine Prämienänderungen «nach oben oder unten», damit die Prämien die kantonal unterschiedlichen Kosten decken kann, wie es die gesetzliche Vorgabe vorsieht.

Rund 78'800 Prämien nach unten korrigiert

Wie oft das BAG in den letzten Jahren die Prämien nach oben oder unten korrigieren liess, ist der Öffentlichkeit nicht bekannt. Obwohl dies aus gesundheitspolitischer Sicht durchaus interessant zu erfahren wäre. Es zeigt sich: Für das kommende Jahr haben die Versicherer rund 78'800 Prämien auf Geheiss der Bundesbeamten nach unten korrigiert und knapp 16'850 nach oben. Das BAG hat im Herbst 2021 rund 266'000 Prämien für das Jahr 2022 genehmigt.
Als Vergleich mit dem Vorjahr: Für das Jahr 2022 wurden doppelt so viele Prämien nach unten korrigiert wie noch im Vorjahr für das Jahr 2021. Damals waren es 38'600 Prämien, die gemäss BAG tiefer sein mussten und 24'430 Prämien, die die Versicherer nach oben korrigieren mussten. Insgesamt waren im vergangenen Jahr 274'000 Prämien vom Genehmigungsprozess betroffen. Die Zahlen gehen erstmals aus parlamentarischen Vorstössen hervor. 

Ein politisch gesteuerter Prozess?

Das Bundesamt für Gesundheit begründet die Verdoppelung der nach unten korrigierten Prämien dieses Jahr mit dem freiwilligen Reserveabbau, die rund 11 Milliarden Franken betragen. Die Versicherer mit hoher Solvenz wurden angehalten, die Prämien «möglichst knapp» zu kalkulieren. Das BAG konnte mehrere Versicherer von diesem neu geschaffenen Instrument überzeugen, wie es auf Anfrage heisst. Zudem konnten in mehreren Fällen auch die Vorteile des Einbezugs der Kapitalerträge aufgezeigt werden, was ebenfalls zu Prämiensenkungen geführt hat. Die Krankenversicherer legen rund 17 Milliarden an der Börse an und erwirtschaften damit Dividenden, Zinsen und weitere Erträge. 
Ohne die Interventionen der Bundesbehörde würde die jährliche Prämienentwicklung jeweils wohl einen anderen Verlauf nehmen. Es ist davon auszugehen, dass die Genehmigung mitunter auch politisch gesteuert ist. Die genauen Informationen sind kaum zu erfahren. Das BAG ist nicht bereit, bei der jährlichen Prämienbekanntgabe detaillierte Zahlen offenzulegen. Eine Publikation trage nicht zur Transparenz für die Versicherten bei, sagt das BAG. Für die Versicherten seien lediglich die genehmigten Prämien relevant.

Genehmigungsprozess ist eine Black Box

Detaillierte Zahlen würden aber zur besseren Transparenz der Prämiengenehmigung beitragen. Diese Kritik wird von verschiedenen Seiten immer wieder hervorgebracht. Zu erfahren ist bloss, dass das BAG sich bei der Plausibilisierung der Zahlen unter anderem auf «wissenschaftliche» Modelle zur Gesundheitskostenentwicklung stützt: Zum einen auf das Modell vom Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie (WIG) und auf Prognosen der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH).  
Doch wie unterschiedlich diese Modelle als Orakel dienen, zeigt das Beispiel am Kanton Waadt: Die tiefste, wahrscheinliche und höchste Kostenprognose liegen dort weit auseinander: So beträgt die Spanne für das Kostenwachstum für das Jahr 2022 beim ETH-Modell zwischen Minus 1.8 Prozent und Plus 4.7 Prozent. Beim WIG-Modell sind es sogar Minus 1.1 Prozent und Plus 7.8 Prozent.  
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