Sind die Kampagnen vom Bundesamt für Gesundheit ihr Geld wert?

Wie wirtschaftlich erfolgreich sind Kampagnen zu Prävention oder Gesundheitsförderung? Ist es rausgeworfenes Geld? Das BAG weiss es auch nicht so genau.

, 14. November 2019 um 06:16
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Aids, Antibiotika, Alkohol: Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) gibt jährlich viel Geld für staatliche Präventions-Kampagnen aus. In den letzten 12 Jahre summierten sich die Gelder für Präventions-Massnahmen auf über 238 Millionen Franken. Im Schnitt pro Jahr: 19.8 Millionen Franken.
Das sind hohe Summen. Es drängt sich deshalb auf, herauszufinden, ob solche Kampagnen auch tatsächlich wirken. Das BAG evaluiert die Wirksamkeit zwar nach Kriterien wie Bekanntheit oder Verhalten. Ob sich die Kampagnen letztendlich auch wirtschaftlich auszahlen, bleibt aber weitgehend offen.

Wirtschaftliche Erfolg schwer messbar

Die Überprüfung der Kosten-Nutzen-Rechnung sei sehr aufwändig und komplex, teilt das BAG auf Anfrage mit. Solche Analysen könnten deshalb nicht standardmässig durchgeführt werden. Tatsächlich ist der Zusammenhang zwischen Präventions-Massnahmen und ihrer direkten gesundheitlichen Wirkung methodisch schwierig zu belegen. Und damit auch der ökonomische Erfolg. Wenn überhaupt, dann oftmals erst Jahre später, und mit vielen Annahmen und Schätzungen unterlegt.
Interessant wäre es aber beispielsweise zu erfahren, ob und wie sich die Grippeimpfung-Kampagnen wirtschaftlich lohnen? Hier verfügt das Bundesamt für Gesundheit aber über keine Zahlen. Als Beispiel nennt das BAG dafür die Kosten-Nutzen-Analyse von HIV-Massnahmen: Die jährliche 2-Millionen-Franken-Kampagne lohne sich bereits, wenn zwei HIV-Infektionen jährlich verhindert werden könnten. Dies, weil eine Behandlung jährlich rund 20'000 Franken pro Person koste, was rund eine Million Franken pro HIV-Diagnose mit sich bringe.

Preis statt Prävention?

Inwiefern andere Faktoren wie Präexpositions-Prophylaxen zur Abnahme von HIV-Infektionsraten auswirken, ist allerdings nirgends genau erfasst. Genauso schwierig ist es zu belegen, welchen Einfluss etwa Steuererhöhungen, ein Rauch- oder Werbeverbot auf den Tabakkonsum haben.
Vor rund zehn Jahren hat das Bundesamt letztmals eine grossangelegte Kosten-Nutzen-Rechnung zu Präventions-Massnahmen durchgeführt: unter anderem zu den Themen Tabak- und Alkoholkonsum (Universität Neuenburg). Damals kam man zum Schluss, dass der Nutzen der Prävention die Kosten überwiege. Doch die Evaluation enthält viele Annahmen und Schätzungen. Und nebst direkten Kosten mussten in der komplexen Berechnung viele Faktoren wie der Verlust an Lebensqualität oder der Nutzen für die Gesellschaft aufwändig in monetäre Gegenwerte umgerechnet werden. 

Wer profitiert?

Die Frage, ob solche Kampagnen überhaupt etwas nützen und wie viel diese dazu beitragen, die steigenden Gesundheitskosten zu dämpfen, bleibt offen. Klar ist: Menschen wissen, dass zu viel Rauchen und Trinken oder ungeschützter Geschlechtsverkehr die Gesundheit gefährden kann. Doch auch Präventions-Massnahmen halten sie offenbar nicht wirklich davon ab. Irgendwann stumpfen sie sogar ab. Und auch trotz viel Beharrlichkeit greift die jährliche Kampagne zur Grippeimpfung wohl nicht so wie erhofft. Profitieren von diesen Kampagnen dürften vor allem die zahlreichen Werbe- und Kommunikationsagenturen, die solche Kampagnen für das BAG durchführen dürfen.
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