Schritt für Schritt wird man nicht fitter

Oder anders: Wer gesünder leben will, muss ins kalte Wasser springen. Neue Forschungen besagen, dass man seine schlechten Gewohnheiten gleich en bloc über Bord werfen sollte – und dass eine radikale Änderung des Lebensstils nachhaltiger ist als langsame Verbesserungen.

, 20. Mai 2016 um 07:07
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Wenn Sie (beziehungsweise Ihre Patienten) schlechte Gewohnheiten ändern wollen – dann bitte schön gleich alle. Und zwar alle schlagartig.
Dies legt ein psychologischer Versuch über nachhaltige Verhaltensänderungen nahe. Der Test, durchgeführt an der University of California in Santa Barbara, widerspricht damit manch gängiger Lehr- und Allerwelts-Meinung. Denn er besagt: Nicht die Anpassung in kleinen Schritten führt erfolgreich und nachhaltig zu einem neuen, gesünderen Lebensstil – sondern der radikale Schnitt, bei dem mehrere gesundheitsfördernde Veränderungen zugleich durchgezogen werden.
Die Psychologen aus Santa Barbara engagierten 28 Testpersonen, denen sie in einem sechswöchigen Verfahren eine radikale Fitness- und Gesundheits-Behaviour-Verbesserung verschrieben. Die Beteiligten wurden an jedem Wochentag fünf Stunden lang «bearbeitet»: Es gab 2,5 Stunden Fitness- und Sport-Kurse, eine Stunde mentale Übungen beziehungsweise Meditation, ferner Vorlesungen und Kurse über Themen wie Schlaf, Ernährung, Sport, allgemeine Gesundheit oder Wohlbefinden.

Michael D. Mrazek, Benjamin W. Mooneyham, Kaita L. Mrazek, Jonathan W. Schooler: «Pushing the Limits: Cognitive, Affective, and Neural Plasticity Revealed by an Intensive Multifaceted Intervention», in: «Frontiers in Human Neuroscience», März 2016.

Schon vor Testbeginn waren die Probanden mehrfach gestestet worden – wobei die Wissenschaftler kognitive wie körperliche Werte erfassten und auch MRI-Aufnahmen des Gehirns anfertigten. Mehrere Wochen nach den Intensiv-Übungen wurden all diese Werte nochmals überprüft. Und es zeigte sich, dass diese Studenten ihr Leben intensiver verändert hatten, höhere Zufriedenheits- und tiefere Stresswerte aufwiesen und zum Beispiel auch ein besseres Gedächtnis hatten als Studenten der Kontrollgruppe. 
Hinzu kamen bessere Werte bei Muskelausdauer, Herz-Kreislauf-Ausdauer, Beweglichkeit der Muskulatur sowie ein tieferer Triglycerid-Spiegel.

Nachhaltig besser in vier Kategorien

«Die Intervention führte zu einem breiten Set an substanziellen Verbesserungen von Physiologie, Kognition und Affekten», lautet ein Fazit im jetzt veröffentlichten Artikel.
Gewiss – der Test wurde mit einer recht kleinen Gruppe durchgeführt. Aber die Ergebnisse dieser Versuchspersonen erscheinen nicht einfach besser als bei anderen Lifestyle-Änderungs-Tests – sondern so nachhaltig besser, dass man diese Methode zumindest weiteren Überprüfungen unterziehen sollte. Auch sechs Wochen nach Testende waren die Versuchspersonen in allen Kategorien (fitness, mood, thinking skills, well-being) besser als zuvor und als in der Kontrollgruppe.
Möglich also, dass jede Änderung des Lebensstils auch andere Änderungen positiv verstärkt.
«Wer regelmässig Sport treibt, schläft auch besser»: So erklärt Michael Mrazek, der Lead-Autor der erwähnten Studie, den Dreisatz in «Time»: «Wer gut schläft, kann besser meditieren. Wer bewusster lebt, wählt eher gesunde Nahrung.» Und weiter: «Wenn man eine Veränderung forciert – wie etwa eine Senkung des Kaffeekonsums –, ohne anderen Aspekte des Lebens ebenfalls anzugehen, gewöhnt man sich auch weniger leicht daran, neue Kaffee-Gewohnheiten einzuhalten.»


  • Bild: Simon Blackley, «Jump», Flickr CC

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