SAMW: «Spezialärzte haben Hausaufgaben nicht gemacht»

Die Schweizerische Akademie der medizinischen Wissenschaften kritisiert, dass Spezialärzte immer noch keine Liste mit unnötigen Behandlungen erstellt haben. Dies im Gegensatz zu den Allgemeinmedizinern.

, 15. Januar 2016 um 10:29
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Vor knapp zwei Jahren legten die Allgemeinmediziner eine Liste mit fünf Behandlungen vor, die es grundsätzlich zu vermeiden gilt. Dazu gehören zum Beispiel die Verabreichung von Antibiotika gegen unkomplizierte Infekte der oberen Luftwege oder Röntgen bei leichten Rückenschmerzen.
Geplant war, dass die Allgemeinpraktiker eine Vorreiterrolle übernehmen. Andere medizinische Fachgruppen wie Chirurgen oder Kardiologen sollten nachziehen und in ihrem Fachgebiet eine ähnliche Liste mit unnützen Behandlungen erstellen. 
Passiert ist allerdings praktisch nichts, wie ein Beitrag von SRF News aufzeigt. Die so genannte «Top-Five-Liste» der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) hat keine Nachahmer gefunden. 

Drei Gründe für Passivität

Ein Umstand, der nun von Hermann Amstad von der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) kritisiert wird. «Da haben vielleicht die ärztlichen Fachgesellschaften ihre Hausaufgaben nicht gemacht», stellt er fest. 
Die Organisation wollte wissen, warum die Spezialärzte nichts unternommen haben, und startete eine Umfrage. Heraus kamen drei Gründe: 

  • Die Erstellung einer schwarzen Liste ist mit einem gewissen Aufwand verbunden.
  • Möglicherweise bestehen gewisse Ängste, wie Patienten auf eine solche Liste reagieren.
  • Möglicherweise besteht eine Angst bezüglich Einkommenseinbussen. 

Listen aus USA übernehmen

Die SAMW verspricht sich mehr Qualität von solchen Listen. Darum unternimmt sie jetzt einen neuen Versuch, die Spezialärzte zu überzeugen. Sie sollen prüfen, ob sie analoge Listen aus den USA übernehmen könnten. 

Top 5 der unnützen Behandlungen


  • Bildgebende Diagnostik während der ersten sechs Wochen bei Patienten mit Lendenschmerzen
  • Messung des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) ohne eine Diskussion von Risiko und Nutzen
  • Antibiotika gegen unkomplizierte Infekte der oberen Luftwege
  • Routinemässiges präoperatives Röntgen des Brustkorbs (Thorax)
  • Langzeit-Therapie bei Erkrankungen im Magen-Darm-Trakt mit Säureblockern ohne Reduktion auf die tiefste Dosis

Quelle: SGAIM/SRF/mz
Mehr dazu in der Sendung «Rendez-vous» von Radio SRF 1 und SRF 4 NewsWarum ziehen die Chirurgen nicht nach? «Echo der Zeit»-Interview mit Markus Trutmann, dem Generalsekretär der FMCH.
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