Neue Krankenversicherung: Zuerst zur App statt zum Arzt

Mehrere Krankenkassen bieten neue Varianten von Telemedizin-Versicherungen an: Die Symptome analysiert als erstes kein Arzt, sondern der Computer.

, 10. November 2021 um 11:10
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Vor dem Arztbesuch ein Anruf bei der Telemedizin: Dieses Versicherungsmodell ist in der Schweiz mittlerweile weit verbreitet. Die Versicherten müssen zuerst eine ärztliche Hotline anrufen, bevor sie zum Arzt gehen. Die Beratung ist zwar obligatorisch, aber gratis.

Symptomcheck mit der App

Einige Kassen – darunter auch Atupri – gehen nun weiter mit dem digitalen Arztbesuch: Die Versicherten müssen zuerst einen Symptomcheck auf der Handy-App machen. Diese Computer-Analyse ist gratis. Alles weitere kostet.
Rät die App nach dem Symptomcheck zur Arztkonsultation, können die Versicherten in eine Arztpraxis gehen oder sich von der Tele-Clinic von Medgate beraten und behandeln lassen. Für den digitalen Arztbesuch verrechnet Medgate durchschnittlich 45 Franken.

Eine Kostenfalle?

Die Konsumentenzeitschrift «K-Tipp» kritisierte unter anderem das Sparmodell «Smartcare» von Atupri. Die Zeitschrift warnte vor dem Telefonat mit Medgate, weil dieses nicht gratis ist. «Bei einem Gespräch von 5 bis 20 Minuten kostet ein solcher Anruf laut Medgate in der Regel 17 bis 60 Franken.»
Atupri-Sprecherin Neda Golafchan bestätigt auf Anfrage von Medinside: «Wir stellen die telemedizinischen ärztlichen Leistungen mit jenen in einer Praxis gleich.» Das bedeutet, dass Medgate die Konsultation nach dem Tarmed-Tarif verrechnet.

Rationeller als ein Praxisbesuch

Für die Versicherten gebe es trotzdem Vorteile: Im Vergleich zu physischen Arztbesuchen seien telemedizinische Konsultationen günstiger. Ausserdem würden sie Zeit und Anfahrtswege sparen. Auch Rezepte, Verschreibungen und ärztliche Zeugnisse gibt es auf elektronischem Weg. Die «Smartcare»-Versicherung ist auch etwas günstiger als andere.
Neda Golafchan erklärt, dass die Symptomanalyse via App doppelspuriges Vorgehen vermeide. Die Versicherten erhalten nicht zuerst eine telemedizinische Beratung und dann trotzdem die Empfehlung, zum Hausarzt zu gehen.

Auch SLKK, Assura, Sanitas und Groupe Mutuel

Auch andere Krankenkassen haben das neue Versicherungsmodell in ihrem Angebot: Die SLKK bietet es als «Smartmed» an. Assura hat das Modell «Assurcall», allerdings nur in Basel. Auch beim Sanitas-Modell «Medbase Multiaccess» kosten telemedizinische Konsultationen etwas.
Das «Calldoc»-Modell des Groupe Mutuel arbeitet mit dem anderen grossen Telemedizin-Anbieter, Medi24, zusammen. Beratungsgespräche sind bei Medi24 gratis. Kann der Fall aber gleich erledigt werden, gilt er als medizinische Konsultation, die etwas kostet.

Schweizer nutzen gerne Online-Versicherungsportale

Eine vergleichende Studie in Deutschland und in er Schweiz des Softwareherstellers BSI und der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) hat gezeigt, wie offen die beiden Länder gegenüber der Digitalisierung der Gesundheit sind.
Dabei zeigte sich: Die Versicherten von Krankenkassen schätzen vor allem simple administrative Erleichterungen und Fitness-Tracker.
Die Resultate:
Digitale Versicherungskarte: CH: 25%, D: 33 %
Online-Versicherungsportale: CH: 40%, D: 18 %
Fitness-Tracker: CH: 17 %, D: 18 %
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