Näher dran sein: Spitäler brauchen Innovationsstrategien

Spitäler, welche die Digitalisierung und Vernetzung proaktiv angehen, werden in der integrierten Gesundheitsversorgung die Nase vorne haben. Die im Raum stehenden technologischen Möglichkeiten stehen sowohl für ein effizienteres als auch auf den Patientennutzen ausgerichtetes Gesundheitswesen.

, 10. Juli 2021 um 08:00
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Durch die zunehmenden technologischen Innovationsprozesse wird die Gesundheitsbranche in einigen Jahren nicht mehr wiederzuerkennen sein. Sofern die Digitalisierung der Medizin und der Gesundheitsversorger gelingt, bringt diese viele Vorteile sowohl für die Patienten als auch für die Dienstleister. Der Weg dorthin birgt allerdings zahlreiche Herausforderungen – gerade auch für Spitäler. Aus einer Perspektive der Spitalführung genügt es in Zukunft nicht mehr, ein einfaches Krankenhaus zu sein, nach vorgegebenen Tarifen abzurechnen und den Wandel über sich ergehen zu lassen. Vielmehr geht es darum, die Herausforderungen proaktiv zu meistern.
Spitäler brauchen Innovationsstrategien. Das Spital als Arbeitgeber, welcher seine Mitarbeiter fachlich und persönlich auf den Wandel vorbereitet; das Spital als Innovationsplattform, wo neue Therapien und Behandlungen mit Bildungsinstitutionen und Jungunternehmen entwickelt, getestet und schliesslich angewendet werden; das Spital und seine Exponenten als Think Tank, welcher sich in Diskussionen einbringt und den Wandel mitgestaltet. Innovative Häuser werden den Anspruch, zum ganzheitlichen Dienstleistungszentrum rund um das Thema Gesundheit und Wohlbefinden zu werden, zum Nutzen der Patienten eher erfüllen und im Wandel der Spitallandschaft zu den Gewinnern gehören.
Bei der Frage nach dem „Wie und Warum“ ergibt sich eine klare Antwort: Nähe. Durch die zunehmende Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung muss die Spitalführung - will sie Schritt halten - näher am Geschehen sein als je zuvor. Als Gesundheitsversorger muss ein Spital auf dem Radar haben und dort präsent sein, wo der Wandel passiert und wo disruptive Entwicklungen absehbar sind. Dazu müssen wir bereit sein, Veränderungen an uns herankommen zu lassen und nicht vor dem Wandel zurückzuschrecken. Darüber hinaus können nur in enger Zusammenarbeit mit den eigenen Mitarbeitenden und externen Partnern aus verschiedensten Disziplinen neue Konzepte, Prozesse, Diagnosen und Behandlungswege zum Wohl der Patienten entwickelt werden. Ausserdem sollte ein Spital dort präsent sein, wo die Therapien und Diagnosen der Zukunft gestaltet und vorangetrieben werden, sprich in den Hochschulen, Forschungszentren und Startups unserer Gesellschaft.
Eine Innovationsstrategie sollte aus den folgenden Elementen bestehen: Zentral ist ein sogenanntes Innovations-Monitoring; es erlaubt, am Puls der neusten Entwicklung in den Gebieten Technologie, Diagnose und Therapie zu bleiben und Innovationen möglichst schnell aufgreifen und umsetzen zu können. Ein zweites Element sollte eine Plattform oder ein Art Laboratorium sein, die Kooperation mit Forschungs- und Bildungsinstitution sowie mit innovativen Firmen - darunter auch Startups – ermöglichen. Das Zusammenbringen verschiedenster Player im Gesundheitswesen und der bewusst aufgebaute Kontakt mit Startups ermöglicht es agilen Häusern, Innovationen zu erkennen, interessante Projekte zu fördern und so die eigene Gesundheitsversorgung zu verbessern. Dieses Zusammenwirken muss aber geführt werden: Es braucht ein Scouting der externen Partner in die Expertenorganisation Spital hinein: Die richtige Expertise muss beurteilen, was der potentielle Nutzen eines Innovationsprojektes für beide Partner sein kann. Schliesslich braucht es eine Innovationskultur. Diese ist eine Frage der Führung: Verwaltungsrat und Geschäftsleitung müssen innovatives Verhalten fördern, richtige Anreize setzen, innovatives Verhalten selber vorleben und mittels interner Kommunikation dafür sorgen, dass Innovationen im ganzen Haus zur Kenntnis genommen werden. Awards, Recognition, Prämien und Anlobungen können dabei helfen.
Fest steht, dass der technologische Wandel und die Digitalisierung fortschreiten, unabhängig von der Art und Weise, wie Organisationen mit dem technologischen Wandel umgehen oder wie bereit sie für Veränderungen sind. Im täglichen Spitalbetrieb werden künftig wohl die meisten Prozesse davon erfasst: Medizinische Eingriffe, Diagnostik, Informationsmanagement, Verpflegung, Logistik, Administration und sogar das Management (wir sitzen heute vor iPads und nicht mehr vor Aktenbergen).
Gerade weil die Möglichkeiten unglaublich breit sind und tendenziell die Frage nach dem Zeitpunkt der Einführung einer Innovation das „ob“ dominiert, müssen wir uns im gesamten Gesundheitssystem bewusst sein, dass wir nicht blind experimentieren sollten. Es reicht „Early Adopter“ zu sein, denn das Ziel der proaktiven Gestaltung dieses Wandels und der Schaffung der erforderlichen Nähe ist, dass insbesondere die Patientinnen und Patienten davon profitieren. Dabei bleiben Gewährleistung der Patientensicherheit und Qualität zentrale Konstanten. 
Daniel Heller ist Partner bei Farner Consulting AG. 2000 übernahm er das Präsidium der Spezialklinik Barmelweid, wandelte diese als erstes Spital im Kanton Aargau in eine gemeinnützige Aktiengesellschaft um und wurde 2014 Verwaltungsratspräsident der Kantonsspital Baden AG. Daneben hat er verschiedene Verwaltungsratspositionen im Finanzbereich und Startup Bereich. Er hat in Zürich Geschichte, Wirtschaftsgeschichte und Politikwissenschaften studiert (Promotion Dr. phil. I).
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