Die «Initiative Joder» verlangte bekanntlich, dass Pflegefachleute und Pflegeinstitutionen mehr Arbeiten in eigener Kompetenz erbringen können – und nicht für alles die Unterschrift eines Arztes nötig ist.
Der Bundesrat war gegen das Anliegen, und im Nationalrat wurde die Initiative versenkt – wobei sich die Gegner stark auf die Krankenversicherer stützten:
In ihrem Bericht prognostizierte die Landesregierung, dass die Krankenkassen-Kosten um etwa 80 bis 100 Millionen Franken steigen würden, falls die verlangte «gesetzliche Anerkennung der Verantwortung der Pflege» umgesetzt werde.
Die Millionen-Zahl stützte sich weitgehend auf Berechnungen von Santésuisse, und so war in der politischen Debatte auch implizit klar, dass die Krankenversicherer gegen das Anliegen sind.
Interessanterweise meldet sich jetzt ein führender Krankenversicherer zu Wort, widerspricht der Branche und meint: «Helsana bedauert das Scheitern der parlamentarischen Initiative Joder.»
«Masslos übertrieben»
Die Ablehnung im Nationalrat sei «eine verpasste Chance», denn für die heiklen Themen der Initiative hätte die Politik eine differenzierte Lösung finden können: «Vorausgesetzt, man will überhaupt eine Lösung».
So steht es in der
Publikation «Helsana Standpunkt». Verfasst wurde der Text von Helsana-Ökonomin Annette Jamieson. Die heute noch notwendige Unterschrift eines Arztes sei in vielen Pflegefällen sowieso bloss eine Formalie; ein Ausbau der Kompetenzen für die Pflege hätte also nur das Gesetz der Wirklichkeit angepasst.
Dezidiert wendet sich Jamieson inbesondere gegen die Zusatzkosten, welche Santésuisse und Bundesrat an die Wand malten für den Fall, dass viele Pflegeaufträge ohne ärztliche Kontrolle durchgeführt würden: Da sei schlicht «masslos übertrieben» worden.
«Befürchtungen fachlich nicht fundiert»
«Die Befürchtungen hinsichtlich Mengenausweitungen sind fachlich nicht fundiert, da die Bedarfsabklärung und die geplanten Leistungen schon heute nicht durch den Arzt, sondern durch die Krankenversicherer kontrolliert werden», so die Helsana-Stellungnahme.
Ein Hinweis dabei: Für Pflegeleistungen gilt der Pflichtleistungskatalog, vergütet wird mit einem Zeittarif. Und der Zeitbedarf könne nicht einfach ausgedehnt werden, nur weil es keiner ärztlichen Unterschrift mehr bedarf. «Solange an der bewährten Leistungskontrolle durch die Versicherer festgehalten wird, sind Mehrkosten als Folge von mehr Eigenverantwortung der Pflege reine Panikmache.»
SBK arbeitet schon an einer Volksinitiative
«Mehr Verantwortung in der Pflege» – dieses Anliegen, so Helsana, hätte es erlaubt, zukunftsorientierte Versorgungskonzepte mit der Pflege zu lancieren: eine effiziente und gute integrierte Versorgung auf Basis von Pflegenetzwerken.
Was nun aber bleibe, «sind unnötige Bürokratie und eine weiterhin von ärztlichen Anordnungen abhängige Pflege.»
Ob dies auch langfristig zutrifft, muss sich allerdings erst weisen. Denn das Thema wird bald zu neuem Leben erweckt: Der Pflegefachleute-Verband SBK wird eine Volksinitiative lancieren, welche den Pflegeberuf aufwerten will – das ist beschlossene Sache. Ende August bereitete die Führungsriege die Umsetzung bei einer Klausurtagung vor.