Lohndiskriminierung vor allem in der Gesundheitsbranche

Eine neue Studie zeigt: Viele Gerichtsfälle im Zusammenhang mit der Gleichstellung von Frau und Mann stammen aus dem Gesundheitswesen.

, 21. Januar 2021 um 14:42
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Das Bundesgericht hat in jedem vierten Fall eine Beschwerde auf der Basis des Gleichstellungsgesetzes (GIG) gutgeheissen. Dies zeigt eine aktuelle Studie der Universität Genf, im Auftrag des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann. Bei der überwiegenden Mehrheit der Fälle wenden sich Frauen an das höchste Gericht, vor allem aus den Kantonen Zürich und Genf.
Die Autoren analysierten in ihrem Forschungsbericht über 80 Urteile im Zeitraum zwischen 2004 und 2019. Zwei Drittel der Fälle betreffen Beschwerden wegen Lohndiskriminierung; die Erfolgsquote liegt dabei bei 40 Prozent. Zum Vergleich: Beschwerden wegen sexueller Belästigung (14 Fälle) werden in 29 Prozent gutgeheissen. Bei diskriminierenden Kündigungen (15 Fälle) heisst das Bundesgericht 7 Prozent der Beschwerden gut.

Kaum Fälle aus dem privaten Sektor

Mehr als die Hälfte aller Fälle stammen dabei aus dem Gesundheits- oder Bildungswesen, wie das Büro für Gleichstellung weiter mitteilt. Insgesamt betreffen 24 Urteilen Fälle aus dem Gesundheitswesen. Bei fast zwei Drittel aller Urteile ging es um öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnisse. 
Die Frage, die dabei im Raum steht: Schätzen Personen in privatrechtlichen Arbeitsver­hältnissen das Risiko eines Arbeitsplatzverlustes als höher ein – und verzichten daher auf einen Weiterzug ans Bundesgericht? Dies konnte in der Studie nicht abschliessend beantwortet werden.

Was die Studienautoren empfehlen

Der Forschungsbericht liefert dafür aber verschiedene Empfehlungen: etwa die Verbesserung des Zugangs zum Recht oder das Verbandsklagerecht zu stärken. Verbände seien diesbezüglich sehr zurückhaltend, heisst es.
Auch die Beweislasterleichterung für Fälle von sexueller Belästigung und Anstellungsdiskriminierung sollte gemäss Studie erneut geprüft werden. Dies würde bedeuten: Die Beschwerdeführenden müssten die Diskriminierung lediglich glaubhaft machen, aber nicht beweisen.
Die Studie nennt aber auch Punkte wie eine verbesserte Weiterbildung von Richterinnen und Richtern, Anwältinnen und Anwälten sowie Mitgliedern von Schlichtungsbehörden. Aber auch die Information der Öffentlichkeit über das Gleichstellungsgesetz sollte nach Ansicht der Studienautoren verstärkt werden.  


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