Liebe Gesundheitsförderer: So bringt man Hunderttausende in Bewegung

Eine Fitnessidee wird zum Massenphänomen: Wir stellen Ihnen «Beat the Street» aus Grossbritannien vor.

, 14. Dezember 2016 um 07:48
image
  • prävention
  • trends
Was Nintendo kann, kann ein Hausarzt aus Südengland schon lange. Unterm Stichwort Prävention und Fitness entwickelt sich in Grossbritannien derzeit eine kleine Idee zum Phänomen. Das Phänomen heisst «Beat the Street», es wurde entwickelt vom Arzt William Bird aus der südenglischen Stadt Reading und war bis vor wenigen Monaten noch ein eher lokales Phänomen. Inzwischen erobert es Stadt für Stadt, Quartier für Quartier. Hunderttausende machen mit und halten sich fit damit.
«Beat the Street»? Um seine Mitmenschen zu mehr Bewegung anzuhalten, entwickelte William Bird vor drei Jahren ein Spiel: Er hängte in Reading kleine Sensoren auf – «Beatboxes» – und verteilte den Leuten Anhängerchen oder Plastikkarten: Damit konnte man sich registrieren lassen, wenn an einer Beatbox vorbeiging. So weit, so simpel. 

Erst Spiel, dann Bewegung

Jedenfalls: Daraus entwickelte sich inzwischen eine Game, das eine Ortschaft nach der anderen erfasst.
In den Schulklassen wird es zum Sport, mit den Anhängerchen – «Fobs» – durch die Stadt zu ziehen und andere Klassen zu schlagen. Die Erwachsenen schliessen sich an, es bildeten sich Gruppen, die darum stritten, mehr solcher Boxes registriert zu haben. Und die Organisation des Gründers William Bird, «Intelligent Health», entwickelte Karten und Online-Programme dazu, so dass alle Beteiligten sehen können, was sie – und was die anderen – gemacht haben. Aus dem Spiel wurde eine Challenge. Aus der Challenge eine Bewegung.
image
Buchstäblich initiativer Arzt: William Bird (Bild: Wikimedia Commons)
Die Sensoren stehen natürlich bloss an Orten, die per Fahrrad oder zu Fuss erreichbar sind, denn darum geht es Dr. Bird: Die Gesamtgesellschaft en passant zu mehr normaler Bewegung zu veranlassen. Oder sogar noch grundsätzlicher: «To Build Active Communities». So lautet das Motto von «Intelligent Health». Gemeinden und Gemeinschaften, wo man sich quasi natürlich bewegt.
Nach einer gewissen Anlaufzeit sprang der «Trend» in den letzten Monaten aus Reading heraus, in diesem Jahr beteiligten sich in London gut 73'000 Personen, in England werden es bis zum Jahresende über 300'000 sein, vielleicht gegen eine halbe Million. 

Auch die, die sonst schwer erreichbar sind

Vor wenigen Wochen erreichte das Phänomen zum Beispiel Nordirland – dann beteiligten bis heute sich rund 36'000 Personen. Sie bewegten sich im Rahmen von «Beat the Street», wie örtliche Medien errechneten, rund 150'000 zusätzliche Kilometer. Inzwischen wurden in Vancouver, Kanada, die ersten Auslands-Boxen aufgestellt.
Ein bemerkenswertes Detail: Offenbar werden hier sehr stark auch Personenkreise, Milieus beziehungsweise Neighbourhoods angesprochen und zur Extra-Bewegung motiviert, welche für die bisherigen Präventions- oder Fitness-Kampagnen der staatlichen Gesundheitsförderer eher taub waren.

Der Erklär-Film – So funktioniert Beat the Streets:


Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Hospital-at-Home kommt ans linke Zürichseeufer

Ab sofort können Patienten am linken Zürichseeufer über das See-Spital Horgen, die Hospital at Home AG und die Spitex Horgen-Oberrieden zu Hause statt im Spital behandelt werden.

image

Diese 29 Erfindungen machen die Medizin smarter

Das US-Magazin «Time» kürte die wichtigsten Innovationen des Jahres aus dem Gesundheitswesen. Die Auswahl zeigt: Fortschritt in der Medizin bedeutet heute vor allem neue Schnittstellen zwischen Mensch, Maschine und Methode.

image

KSGR: Frauenklinik führt 4-Tage-Woche ein

Die Frauenklinik Fontana des Kantonsspitals Graubünden führt eine 4-Tage-Woche ein: 42 Stunden werden auf vier Tage verteilt, das Gehalt bleibt unverändert. Andere Spitäler sehen das Modell skeptisch.

image

Erstmals sind mehr Kinder über- als untergewichtig

Es gibt immer weniger Kinder, die unterernährt sind – dafür immer mehr, die zu viel essen. Auch in der Schweiz. Das zeigt der neuste Uno-Bericht.

image

Deutschland: Drogerieriese drängt in Gesundheitsvorsorge

Die Drogeriekette DM bietet neu auch Gesundheitsservices an. Der Konzern arbeitet mit professionellen Partnern – Fachärzte äussern Kritik.

image

«Im Gesundheitswesen braucht es Visionen statt Pflästerlipolitik»

Andreas Kistler über wirtschaftliche Zwänge, sinnentleerte administrative Aufgaben und die Entstehung von immer mehr Tätigkeiten, die keinen direkten Nutzen für Patienten stiften.

Vom gleichen Autor

image

Spital heilt, Oper glänzt – und beide kosten

Wir vergleichen das Kispi Zürich mit dem Opernhaus Zürich. Geht das? Durchaus. Denn beide haben dieselbe Aufgabe: zu funktionieren, wo Wirtschaftlichkeit an Grenzen stösst.

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.