Bern und Zug wollen die Nasen-Tests verbieten

Mit den Nasal-Tests lassen sich Covid-19-Infizierte nur zufällig entdecken. Bern und Zug wollen sie verbieten. Und den unseriösen Testzentren das Handwerk legen.

, 13. Oktober 2021 um 13:36
image
  • coronavirus
  • zug
  • kanton bern
  • st. gallen
  • ärzte
  • apotheken
Ungeschultes Personal stochert mit einem Wattestäbchen ein bisschen in der Nase des Kunden herum und wertet dann nach Gutdünken ein Testergebnis aus: So geschieht es derzeit in vielen Covid-19-Testzentren. Sie sind in den letzten Wochen wie Pilze aus dem Boden geschossen.

Nasal-Tests: Angenehm, aber unsicher

Nun geht es ihnen aber an den Kragen: Die Kundenzahlen sind eingebrochen, weil der Bund die Kosten des Tests nicht mehr übernimmt. Ausserdem haben einige Kantone begonnen, die Testzentren zu kontrollieren und ihnen schärfere Vorschriften zu machen.
So will der Kanton Bern die so genannten «nasalen» Schnelltests verbieten. «Denn die Zuverlässigkeit beträgt nur zwischen 10 und 20 Prozent», begründet Naomi Brunner, Sprecherin der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion des Kantons Bern. Bei den Nasen-Rachen-Abstrichen ist die Zuverlässigkeit dagegen bedeutend höher - wenn auch immer noch tief. Nur bei den PCR-Tests liegt sie bei mindestens 96 Prozent.

Schweiz wollte Nasal-Tests nicht zulassen

Ursprünglich hätte man mit den unzuverlässigen nasalen Tests in der Schweiz gar kein Covid-Zertifikat erhalten sollen. Doch weil die Schweiz und die EU ihre Zertifikate gegenseitig anerkannt hat, musste die Schweiz auch die entsprechenden Tests zulassen.
Viele Testzentren haben sofort darauf reagiert: Mit einem zweifränkigen Billig-Test, der mit einem recht «angenehmen» Nasenabstrich im vorderen Nasenbereich auskommt, konnten Testzentrums-Betreiber mit rasch angeheuertem Hilfspersonal grosse Massen von Ausgehwilligen testen, die schnell ein Zertifikat brauchten. Vom Bund erhielten die Betreiber 47 Franken pro Test. Ein einträgliches Geschäft - allerdings nur bis letzten Sonntag.

Nun kosten sie 11 bis 35 Franken

Seit die Tests nun nicht mehr vom Bund bezahlt werden, verlangt der grösste Testanbieter im Kanton Bern 11 Franken pro Test – ein Zeichen, dass die zuvor vergüteten 47 Franken viel zu viel waren. Ein zweiter grosser Anbieter in Bern, will 35 Franken.
Ab nächster Woche müssen sich die Anbieter im Kanton Bern nun auch noch auf strengere Kontrollen gefasst machen. Das Personal in den Testzentren muss nachweislich geschult sein. Und ein Arzt oder Apotheker muss während der Öffnungszeiten vor Ort sein, wie Naomi Brunner ankündet.

St. Gallen hat vier Testzentren geschlossen

Bern ist nicht der einzige Kanton, der auf unseriöse Betreiber von Testzentren aufmerksam geworden ist. Das St. Galler Kantonsarztamt hat bei der Überprüfung einiger Testzentren gleich deren zwölf beanstandet. So fehlte zum Beispiel die kantonale Berufsausübungsbewilligung der fachlich verantwortlichen Person, die Ausbildung und Schulung des Personals war mangelhaft; und ausserdem kritisierte das Kantonsarztamt die Abläufe, die Infrastruktur und die Hygiene.
Gleich vier St. Galler Testzentren mussten sogar schliessen. Sie hatten die Meldepflicht nicht eingehalten oder den Verantwortlichen fehlte die Berufsausübungsbewilligung im Kanton, wie das Gesundheitsdepartement gegenüber Medinside mitteilte.

Auch Zug will nasales Testen verbieten

Der Kanton Zug hat ebenfalls einem Anbieter mit zwei Testzentren das Testen verboten. Zug hat ausserdem gleich wie Bern grosse Vorbehalte gegen die nasalen Abstriche: «Wir unterstützen die Bestrebungen, solche nasalen Schnelltests für die Erlangung eines Zertifikats nicht mehr zuzulassen», sagt Julien Duc im Namen der Zuger Gesundheitsdirektion gegenüber Medinside.
Hingegen will man in St. Gallen die nasalen Schnelltest nicht verbieten. «Die Kompetenz zu entscheiden, welche Tests in der Schweiz zur Anwendung kommen dürfen, liegt beim Bund», heisst es beim Gesundheitsdepartement.

Auch Apotheken wenden Nasal-Tests an

Die Frage, wieviel Testzentren mit unsicheren Tests nützen, beantwortet das Gesundheitsdepartement etwas ausweichend: «Es ist eine Dienstleistung, die sehr gefragt ist, vor allem bei Menschen, die ausgehen oder reisen wollen. Es ist jedoch zentral, dass die Qualität der erbrachten Leistung stimmt.»
Da es auch Apotheken gibt, welche die unsicheren Nasal-Tests anwenden, wollte Medinside vom Apothekerverband Pharmasuisse wissen, wie hoch deren Anteil ist. Doch dazu hat der Verband keine Angaben.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Der Erfinder des Ledermann-Implantats ist tot

Er war ein bekannter Implantologe, später auch Hotelier und Schriftsteller. Nun ist Philippe Daniel Ledermann 80-jährig gestorben.

image

«Hört auf mit dem Begriff ‚Long Covid‘»

Natürlich gibt es das Syndrom. Aber laut einer neuen Studie unterscheidet es sich nicht von anderen postviralen Leiden.

image

29 von 30 Apotheken wollten teurere Medikamente verkaufen

Ein Test des «K-Tipps» gibt ein wenig schmeichelhaftes Bild ab: Nur eine Apotheke empfahl wunschgemäss auf Anhieb das billigste Medikament.

image

Apothekenriese Phoenix plant weitere Expansion in der Schweiz

Die Benu-Apothekengruppe hat soeben die 100. Filiale im Land eröffnet. Es sollen noch mehr werden.

image

Ärzte in der Krise: Immer mehr suchen Unterstützung

Zu viel Arbeit, Burn-Out, Angst, Selbstzweifel und Depression: Das sind die fünf Hauptgründe für Ärzte und Ärztinnen, sich Hilfe bei der Remed-Hotline zu holen.

image

Berner Zeitungen verletzten Privatsphäre einer Ärztin

Ein Artikel in den Berner Medien enthielt zu viele Details über eine verurteilte Ärztin. Der Pressrat gab deshalb den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern (UPD) recht.

Vom gleichen Autor

image

SVAR: Neu kann der Rettungsdienst innert zwei Minuten ausrücken

Vom neuen Standort in Hundwil ist das Appenzeller Rettungsteam fünf Prozent schneller vor Ort als früher von Herisau.

image

Kantonsspital Glarus ermuntert Patienten zu 900 Schritten

Von der Physiotherapie «verschrieben»: In Glarus sollen Patienten mindestens 500 Meter pro Tag zurücklegen.

image

Notfall des See-Spitals war stark ausgelastet

Die Schliessung des Spitals in Kilchberg zeigt Wirkung: Nun hat das Spital in Horgen mehr Patienten, macht aber doch ein Defizit.