Immer mehr Versicherte können sich keinen Arzt mehr leisten

Paradox: Viele Schweizerinnen und Schweiz zahlen so hohe Krankenkassenprämien, dass das Geld nicht mehr für eine Behandlung reicht, wenn sie krank werden.

, 27. Februar 2019 um 15:15
image
  • spital
  • ärzte
  • politik
  • krankenkassenprämien
  • versicherer
Die Schweizer Krankenkassenprämien sind bald unbezahlbar: Durchschnittlich über 3600 Franken zahlt jeder Versicherte pro Jahr für seine obligatorische Krankenversicherung. Vor 20 Jahren waren es «nur» gut 1500 Franken, wie der Statistik des Bundesamts für Gesundheit (BAG) zu entnehmen ist.
Die stetig steigende Prämienlast führt dazu, dass immer mehr Versicherte die höchste Franchise von 2500 Franken wählen. Mittlerweile entscheidet sich schon etwa ein Viertel für diesen hohen Selbstbehalt. Der Grund: Damit lassen sich die hohen Prämien etwas senken. Allerdings müssen die Versicherten im Gegenzug sämtliche Kosten für den Arzt, Medikamente oder das Spital bis zum Betrag von 2500 Franken selbst bezahlen.

Selbstbehalt zu hoch für eine Behandlung

Das kann schwerwiegende Folgen haben: Ein Teil der Versicherten mit hohem Selbstbehalt lässt sich nicht medizinisch behandeln – weil die Behandlungskosten zu hoch wären. Der Hausarzt und SP-Nationalrat Angelo Barrile erlebt das laut eigenen Angaben in seiner Hausarztpraxis zunehmend: Patienten wählen aus Kostengründen die höchste Franchise. «Und wenn sie dann krank werden, verzichten sie auf notwendige medizinische Behandlungen, weil sie sich keine zusätzlichen Kosten mehr leisten können.»
Auch für den Berner Gesundheitsökonomen Heinz Locher ist diese Entwicklung ein Zeichen dafür, dass die Prämienlast ein «untragbares Ausmass» erreicht hat, wie er gegenüber der «Berner Zeitung» sagte.

Support für SP-Prämieninitiative

«15 Prozent der Bevölkerung haben faktisch keinen Zugang mehr zum Gesundheitswesen», konstatiert Locher. Das verstosse gegen das Versicherungsobligatorium und die entsprechende Garantie, dass die ganze Bevölkerung Zugang zu den Leistungen in der Grundversicherung hat.
Diese Entwicklung lässt Heinz Locher, der eigentlich für mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen einsteht, sogar für die Prämieninitiative der SP plädieren: Von ihr erhofft er am schnellsten eine Wirkung. Die SP will die Prämienbelastung der Haushalte auf 10 Prozent des verfügbaren Einkommens begrenzen. Bei einer Annahme der Initiative müssten Bund und Kantone weitaus mehr Prämien verbilligen als bisher.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Medizinprodukte: Swissmedic moniert Mängel in vielen Spitälern

Die Aufsichtsbehörde kontrollierte unter anderem Endoskopie und Instandhaltung – und fand so viele Probleme, dass sie jetzt die Überwachung intensiviert.

image

Thierry Carrel gründet Unternehmen: Carrel Cardio Consulting

Der ehemalige Chefarzt und Klinikleiter arbeitet nun als selbstständiger Chirurg mit Sprechstunden im Bern.

image
Gastbeitrag von André Plass

Eine unabhängige Anlaufstelle garantiert mehr Qualität

Unabhängige Qualitätskontroll- und Meldezentren fürs Gesundheitswesen könnten die Patientenversorgung stark verbessern.

image

Die Effizienz-Liste: So unterscheidet sich der Verwaltungs-Aufwand der Krankenkassen

Die Kosten für die Kassen-Administration stiegen innert fünf Jahren um 20 Prozent – und innert zwei Jahrzehnten haben sie sich fast verdoppelt.

image

Arzt & Co.: Das Kinderarzthaus wird erwachsen

Die neu gegründete Firma Arzt & Co. eröffnet eine erste Hausarztpraxis in Baden. Sie ist ein Schwesterunternehmen der Kinderarzthaus-Gruppe.

image

KSA: Weiterer Abgang in der Geschäftsleitung

Sergio Baumann ist nicht länger beim Kantonsspital Aarau tätig: Der Betriebsleiter, der zeitweise als interimistischer CEO fungierte, hat sein Büro bereits geräumt.

Vom gleichen Autor

image

SVAR: Neu kann der Rettungsdienst innert zwei Minuten ausrücken

Vom neuen Standort in Hundwil ist das Appenzeller Rettungsteam fünf Prozent schneller vor Ort als früher von Herisau.

image

Kantonsspital Glarus ermuntert Patienten zu 900 Schritten

Von der Physiotherapie «verschrieben»: In Glarus sollen Patienten mindestens 500 Meter pro Tag zurücklegen.

image

Im Schaufenster stehen vor allem unwirksame Medikamente

Bieler Ärzte schlagen eine neue Etikette für rezeptfreie Arzneimittel vor. Sie soll zeigen, wie verlässlich die Wirksamkeit nachgewiesen worden ist.