Herzinfarkte gelten nach wie vor als Männerkrankheit. Das stimmt insofern, als dass Männer ungefähr zwei Drittel der Patienten ausmachen, die wegen Infarkten stationär behandelt werden. Studien zeigen aber, dass Frauen öfter an Herzinfarkten und ihren Folgen sterben als Männer. Ein Grund ist, dass Frauen zum Zeitpunkt des Infarkts statistisch gesehen zehn Jahre älter sind und häufiger Begleiterkrankungen wie Diabetes haben.
Ein Forscherteam der
Technischen Universität München (TUM) wollte herausfinden, ob die Gefahr, nach einem Herzinfarkt zu sterben, für Frauen auch dann grösser ist, wenn man solche Risikofaktoren herausrechnet. Als Grundlage der Arbeit dienten Patientendaten, die in zwei Studien mit insgesamt rund 4'100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gesammelt worden waren. Die Ergebnisse wurden nun im Fachjournal
«PLOS ONE» veröffentlicht.
Romy Ubrich, Petra Barthel, Bernhard Haller, Katerina Hnatkova, Katharina Maria Huster, Alexander Steger, Alexander Müller, Marek Malik, Georg Schmidt: «Sex differences in long-term mortality among acute myocardial infarction patients: Results from the ISAR-RISK and ART studies» - in: «PLOS ONE», 20. Oktober 2017Risiko 1,5 mal so hoch
«Schaut man sich den gesamten Untersuchungszeitraum von fünf Jahren nach dem Herzinfarkt an, gibt es keine auffällig grossen geschlechtsspezifischen Unterschiede, wenn man Faktoren wie Alter, Begleiterkrankungen und Art der Behandlung herausrechnet», sagt Erstautorin Romy Ubrich in einer
Mitteilung. «Überrascht haben uns aber die Daten für die ersten 365 Tage nach dem Infarkt: In diesem Zeitraum starben Frauen mehr als anderthalb mal so häufig wie Männer.»
Georg Schmidt, Kardiologe des TUM-Universitätsklinikums rechts der Isar, vermutet dahinter gesellschaftliche und psychische Gründe. «Im Alltag werden nach einem Herzinfarkt oft andere Anforderungen an Frauen gestellt als an Männer», so Schmidt, «sie sollen schneller wieder 'funktionieren' und sind dadurch grösseren Belastungen ausgesetzt.» Ein weiterer wichtiger Faktor seien depressive Erkrankungen.
Hausärzte sollten aufmerksam sein
In jedem Fall seien jetzt die behandelnden Ärztinnen und Ärzte von betroffenen Frauen gefragt: «Unsere Studie zeigt, dass es im ersten Jahr nach einem Infarkt wichtig ist, sich besonders intensiv um Infarktpatientinnen zu kümmern.» Schmidt richtet seinen Appell insbesondere an Hausarztpraxen: «Die Kolleginnen und Kollegen müssen im Hinblick auf die soziale Situation der Patientinnen aufmerksam sein und versuchen, Hilfestellungen zu geben.»
Nach Anzeichen von Depressionen müsse stärker Ausschau gehalten werden. Wenn solche Anzeichen bemerkt werden, sei es wichtig, die Patientinnen schnell an Fachpraxen zu vermitteln, um möglichst bald mit einer Therapie beginnen zu können.