Herzinfarkt: Immer bessere Chancen für Frauen

Noch vor zwei Jahrzehnten gab es bei Herzinfarkt-Patienten in den Schweizer Spitälern einen klaren «Gender Gap»: Die Überlebenschancen von Frauen waren deutlich schlechter. Doch etwas ist seither passiert.

, 6. September 2017 um 07:03
image
  • kardiologie
  • forschung
  • universitätsspital zürich
Zu diesem Schluss verleitet eine Studie, die Dragana Radovanovic von der Universität Zürich jüngst am ESC-Kongress in Barcelona vorstellte. Mit den Daten des Schweizer Herzinfarkt-Registers AMIS hatten die Forscher die Entwicklung von knapp 52'000 Menschen erfasst, welche zwischen 1997 und 2016 wegen einem akuten Myokardinfarkt hospitalisiert worden waren.
Insgesamt stiegen die Chancen der Patienten im Verlauf der Zeit deutlich: Bei ST-Hebungsinfarkten (STEMI) sank die Mortalität in Spitälern

  • von 9,8 Prozent auf 5,5 Prozent bei Männern,
  • von 18,3 Prozent auf 6,9 Prozent bei Frauen.

Bei Nicht-ST-Hebungs-Infarkten (NSTEMI) sank die Mortalität

  • von 7,1 Prozent auf 2,1 Prozent bei Männern
  • von 11,0 auf 3,6 Prozent bei Frauen.

Der Rückgang war also jeweils bei Frauen klar deutlicher, so dass sich die Chancen der beiden Geschlechter im Jahr 2016, also am Ende des erfassten Zeitraums, erheblich angenähert hatten.
Dragana Radovanovic wies am Kongress darauf hin, dass insbesondere junge Frauen in den 1990ern noch deutlich schlechtere Aussichten hatten als Männer gleichen Alters. Deshalb fokussierte sie auch auf die Veränderungen bei Patienten unter 60 Lebensjahren. Hier fielen die Mortalitätsraten mit jedem früheren Eintrittsjahr zurück – während bei den Männern unter 60 keine signifikanten Veränderungen registriert wurden. 


«Obschon die Mortalität von hospitalisierten Patienten bei Frauen immer noch höher ist als bei Männern, war die altersadjustierte Mortalität bei Frauen deutlicher gesunken als bei Männern, insbesondere bei jenen in der Alterskategorie unter 60 Jahren», so ein Fazit der Leiterin des AMIS Plus Data Center an der Uni Zürich.
Dass Frauen immer noch etwas schlechtere Aussichten haben, lasse sich wohl daraus erklären, dass sie bei einem Herzinfarkt im Schnitt acht Jahre älter sind und dabei eher zusätzliche Herz-Kreislauf-Risiken tragen. 

Erwartungen und Vorurteile

Und die allgemeine Verbesserung der letzten Jahre könnte sich daraus ergeben, dass an den Schweizer Spitäler heute häufiger perkutane Koronarinterventionen (PCI) vorgenommen werden.
Dass sich die Chancen insbesondere von jüngeren Frauen verbessert haben, könnte allerhand mit Erwartungen und Vorurteilen zu tun haben: Lange galt der Herzinfarkt als Männerkrankheit, so dass die betroffenen Frauen – und auch das medizinische Personal – zögerlicher zu den notwendigen Mitteln griffen. Diese These vertrat Sarah Clark, die Präsidentin der British Cardiovascular Society, angesichts der Zürcher Resultate.
«Den Fachleuten ist präsenter, dass sie auch bei Frauen in einer Notfallsituation darauf achten müssen und nicht einfach mal eine Gastritis vermuten dürfen», sagte Clarke dem Fachorgan «tctMD».
Ähnlich äusserte sich Mary Norine Walsh, die Präsidentin des American College of Cardiology: Vermutlich träfen hier zwei Entwicklungen zusammen – nmäich dass sich die Frauen selber der Herzinfarkt-Symptome bewusster seien und dass das medizinische Personal auch bei ihnen rascher bereit ist, aggressiv vorzugehen.
Mehr:


Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

CHUV: Aus Spenderstuhl wird Medizin

Das Universitätsspital Lausanne ist das erste Schweizer Spital mit Swissmedic-Zulassung zur Herstellung eines Medikaments aus Fäkalbakterien.

image

BFS-Studie: Milliarden für Forschung und Entwicklung

2023 investierten Schweizer Privatunternehmen knapp 18 Milliarden Franken in Forschung und Entwicklung. Gesundheit bleibt der wichtigste Fokus.

image

Kampf gegen das Mittelmass: Die besten Medizin-Universitäten der Welt

Im «QS World University Ranking» erscheint die ETH als beste Schweizer Life-Sciences-Hochschule, und in der Zahnmedizin landen gleich zwei Schweizer Unis in den Top Ten. Immerhin.

image

Forschung und Praxis: Synergien für die Zukunft

Dr. Patrascu erklärt im Interview die Verbindung von Forschung und Praxis an der UFL. Er beschreibt die Vorteile des berufsbegleitenden Doktoratsprogramms in Medizinischen Wissenschaften und zeigt, wie die UFL durch praxisnahe Forschung und individuelle Betreuung Karrierechancen fördert.

image

Alzheimer-Prävention am Steuer? Navigieren könnte das Gehirn schützen

Ambulanz- und Taxifahrer sterben seltener an Alzheimer als andere Berufsleute. Dies lässt ahnen, dass das richtige Training vorbeugend wirkt.

image

Zigarettenab­fälle verbreiten resistente Keime

Wenn Zigarettenfilter in Gewässern landen, können sich darauf krankheitserregende Keime und Bakterien mit Antibiotikaresistenzen ansiedeln, zeigt eine Studie.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.