Günstige Generika? Von wegen.

Nicht nur Originalpräparate treiben die Gesundheitskosten in die Höhe. Auch die Preise der Nachahmerpräparate sind im Steigen begriffen, wie eine neue Studie zeigt. Grund ist der abnehmende Wettbewerb unter den Anbietern.

, 11. Juli 2017 um 16:00
image
  • medikamente
  • generika
  • studie
Der Schweizer Medikamentenmarkt ist 2016 abermals gewachsen - gegenüber dem Vorjahr um 4,6 Prozent auf nunmehr 5,6 Milliarden Franken. Der Zuwachs ist laut dem Branchenverband Interpharma besonders auf die Einführung neuer, innovativer Medikamente zurückzuführen. 
Mit einem Plus von 4,6 Prozent auf 666 Millionen Franken haben die Generika-Verkäufe im genau gleichen Ausmass zugenommen. Das verdeutlicht einerseits die immer noch relativ geringe Nachfrage nach den günstigeren Nachahmerpräparaten. Anderseits zeigt die Tatsache, dass das Mengenwachstum lediglich 1,5 Prozent betrug, dass die Preise auch bei den Generika im Steigen begriffen sind. 

Mangelnder Wettbewerb

Dies deckt sich mit jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnissen, wonach Generika den Originalpräparaten punkto Kostensteigerung kaum nachstehen. Forscher der University of Florida zeigen in einer im Fachjournal «Annals of Internal Medicine» veröffentlichten Studie diese volkswirtschaftliche Gesetzmässigkeit auf.
Wenn bei einem Medikament der Patentschutz erlischt, sinken meist die Preise, da Generikahersteller das gleiche Präparat wesentlich günstiger anbieten. Da die Zahl der Anbieter und damit der Wettbewerb mit der Zeit abnimmt, schiessen die Preise wieder in die Höhe. Dies ist derzeit der Fall. 
C.V. Dave, A.S. Kesselheim, E.R. Fox: «High Generic Drug Prices and Market Competition: A Retrospective Cohort Study» - in: «Annals of Internal Medicine», Juli 2017

Plus 2'800 Prozent

Die Wissenschaftler führen zahlreiche Beispiele von Generika ins Feld, die in den letzten Jahren markant teurer geworden sind. Ein krasses Beispiel ist das Anthelminthikum Albendazol: Im Jahr 2010 kostete eine Tagesdosis in den USA 5,92 Dollar. Bis zum Jahr 2013 ist der Preis auf 119,58 Dollar gestiegen. 
Erwähnt wird auch der Blutdrucksenker Captopril, der sich sich zwischen November 2012 und November 2013 um mehr als 2'800 Prozent verteuerte - von 1,4 Cents auf 39,9 Cents pro Tablette. Einen Preissprung vollführte auch das Antidepressivum Clomipramine: Der Preis pro Pille stieg von 22 Cents auf 8,32 Dollar. Auch das Antibiotikum Doxycyclin verteuerte sich von 6,3 Cents auf 3,36 Dollar pro Tablette. 

1'120 Präparate untersucht

Die Autoren haben die Kosten der US-Krankenkassen für 1'120 Präparate zwischen 2008 und 2013 in einen Zusammenhang gestellt mit dem Ausmass der Monopolbildung (Berechnung gemäss Herfindahl-Hirschman-Index HHI). Dabei zeigte sich, dass die Preise dann zu steigen beginnen, wenn der letzte Mitbewerber den Markt verlässt. Bei einem vollständigen Monopol legten die Preise innerhalb von fünf Jahren um 48 Prozent zu. 
Zwischen 2002 und 2013 ist zum Beispiel die Zahl der Firmen, die das Herzmedikament Digoxin produzieren, von acht auf drei gesunken. In dieser Zeit verteuerte sich das Präparat um satte 637 Prozent.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Die Spielsucht in der Schweiz hat sich verdoppelt – nun handeln die Kantone

Eine neue eGames-Studie zum Online-Geldspielverhalten in der Schweizer Bevölkerung zeigt besorgniserregende Zahlen. Jetzt schalten sich die Kantone ein.

image

Neue Studie zeigt: Wir leben länger und auch länger gesund

Schweizerinnen und Schweizer haben gesunde Lebensjahre dazugewonnen – Männer etwas mehr als Frauen. Das zeig eine Studie in «Swiss Medical Weekly».

image

Apotheken führen fälschungssichere E-Rezepte ein

Weil die elektronische Übermittlung von Rezepten immer beliebter wird, drängen Apotheken und Ärzte auf ein sicheres System.

image

mRNA-Impfstoff gegen Krebs wird bald an Patienten getestet

Die klinischen Studien, die Biontech noch dieses Jahr starten will, werden in Grossbritannien durchgeführt. Auf den Markt kommen soll das Vakzin vor 2030.

image

Novartis hat einen Präsidenten für seine Generika-Tochter Sandoz bestimmt

Gilbert Ghostine wird künftiger Sandoz-Präsident. Die Generika-Tochter von Novartis soll noch 2023 vom Konzern abgespalten und separat an die Börse gebracht werden.

image

Medikamente: Eine Ausnahme alle drei Minuten

Wird ein Medikament ausserhalb des vorgesehenen Verwendungszwecks verschrieben oder steht sein Preis noch nicht fest, ist eine Einzelfallerstattung möglich. Diese Ausnahme darf jedoch nicht zur Regel werden.

Vom gleichen Autor

image

Pflege: Zu wenig Zeit für Patienten, zu viele Überstunden

Eine Umfrage des Pflegeberufsverbands SBK legt Schwachpunkte im Pflegealltag offen, die auch Risiken für die Patientensicherheit bergen.

image

Spital Frutigen: Personeller Aderlass in der Gynäkologie

Gleich zwei leitende Gynäkologen verlassen nach kurzer Zeit das Spital.

image

Spitalfinanzierung erhält gute Noten

Der Bundesrat zieht eine positive Bilanz der neuen Spitalfinanzierung. «Ein paar Schwachstellen» hat er dennoch ausgemacht.