Fall Maisano: Patientenschutz nimmt Kantonsspital ins Visier

Der komplexe Fall um Francesco Maisano zieht weitere Kreise. Nun werden auch latente Vorwürfe an die Adresse des Kantonsspitals St. Gallen laut.

, 28. August 2020 um 11:26
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Der «Whistleblower» im Fall von Francesco Maisano am Unispital Zürich (USZ) «sieht sich als Ziel einer Disqualifizierungskampagne». Dies geht aus einer Stellungnahme der Patientenstelle Zürich hervor. Der Grund: Ärztekreise, unter anderem aus dem Kantonsspital St. Gallen (KSSG), stellen seine medizinischen Fähigkeiten öffentlich in Frage, wie die Patientenstelle schreibt. Es gelte, ihn vor ungerechtfertigten Angriffen zu schützen.
Denn für die Patientenorganisation ist dies ein «Reinwaschungsversuch» von Francesco Maisano. Sie bearbeitet laut eigenen Angaben mehrere Fälle von Patienten, welche bei einer Behandlung durch ihn und sein Team möglicherweise Schaden davongetragen haben. «Die Patientendossiers zeigen, dass möglicherweise Ärzte beispielsweise aus dem Kantonsspital St. Gallen, die sich für Professor Maisano einsetzen, bei den abzuklärenden Behandlungsfehlern beteiligt waren», steht in der Stellungnahme weiter zu lesen. 
Was sagt das Kantonsspital zu diesen latenten Vorwürfen? Das KSSG hat die öffentliche Stellungnahme der Patientenstelle des Kantons Zürich zum Fall Maisano zur Kenntnis genommen, wie es auf Anfrage heisst. Das Spital wurde aber bisher über solche angeblichen Fällen weder informiert noch kontaktiert oder befragt. Zum aktuellen Zeitpunkt könne und werde sich das KSSG deshalb nicht weiter dazu äussern.

Spital will dem Arzt keine Patienten überweisen

Brisant ist in diesem Zusammenhang, dass die St. Galler bereits seit Jahren die Zusammenarbeit mit dem Leitenden Arzt und «Whistleblower» der Herzchirurgie am Unispital verweigern. Sie stellen offensichtlich seine medizinischen Fähigkeiten in Frage, wie ein Briefverkehr zwischen dem Kantonsspital und dem Unispital unlängst zeigte. Die Spezialisten wollen keine Patienten mehr an den Arzt überweisen. Gut 150 Herz-Patienten pro Jahr schickt das KSSG ans Unispital. 
Es gibt aber auch weitere Zuweisende aus der Schweiz, die dem Vernehmen nach erklären, dass Patienten derzeit generell nicht unbedingt eine Überweisung an das Herzzentrum des Universitätsspitals Zürich (USZ) wünschen. Der Grund ist wohl der in Mitleidenschaft gezogene Ruf.

Noch keine klärenden Fakten auf dem Tisch 

Der Leitende Arzt und «Whistleblower» hatte Ende Jahr schwere Vorwürfe gegen seinen Vorgesetzten Francesco Maisano gerichtet. Der Klinikdirektor soll unter anderem aus Eigeninteresse selbst entwickelte Implantate verwendet haben. Das Unispital hat ihn beurlaubt, vom Amt enthoben und inzwischen sogar Strafanzeige wegen mutmasslicher Urkundenfälschung eingereicht. Die Universität Zürich (UZH) klärt zudem ab, ob es zu wissenschaftlichen Ungenauigkeiten gekommen ist. Vieles ist noch nicht erwiesen.
Francesco Maisano wurde nach bisherigen Erkenntnissen von allen wesentlichen und gravierenden Vorwürfen entlastet. Es ist aber unwahrscheinlich, dass der Herzchirurg nach diesen Geschehnissen wieder zurückkehrt. Inzwischen wurde auch eine Strafanzeige von Unbekannt gegen den «Whistleblower» eingereicht. Laut Staatsanwaltschaft geht es um den angeblichen Vorwurf von ärztlichen Kunstfehlern bei Herzoperationen. Es gilt die Unschuldsvermutung. Das Unispital klärt die Vorwürfe ab, will sich zu den laufenden Untersuchungen im Themenkomplex Herzchirurgie aber nach wie vor nicht äussern. 

Für Maisano gilt immer noch die Unschuldsvermutung

Gleichzeitig weist auch die Patientenstelle in der Mitteilung darauf hin, eine «Vorverurteilung» von Professor Maisano oder beteiligter Ärzte müsse unterbleiben. Die Leiterin Erika Ziltener, die kurz vor ihrer Pension zum ersten Mal in ihrer Karriere eine Strafanzeige gegen einen Arzt eingereicht hat, bezeichnet den Fall Maisano in einem vor kurzem erschienenen Artikel des «Tages-Anzeigers» gleichwohl als «die Spitze eines allgemeinen Misstandes». 
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