Unispital: Strafanzeige gegen «Whistleblower»-Arzt

Die Affäre in der Zürcher Herzchirurgie eskaliert. Nun hat auch der «Whistleblower» eine Strafanzeige am Hals, unter anderem wegen Gefährdung der Patientensicherheit.

, 13. August 2020 um 04:23
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Die definitive Wiedereinstellung des Leitenden Arztes am Universitätsspital Zürich (USZ) ist für Aussenstehende nach wie vor kaum nachvollziehbar. Der Herzchirurg, der die Affäre um seinen Vorgesetzten Francesco Maisano ins Rollen gebracht hatte, wurde entlassen und kurz danach wiedereingestellt. Bislang stellte sich weder ein strafbares Verhalten noch sonst eine substanzielle Verfehlung des Klinikdirektors Maisano heraus. 
Die Angelegenheit fördert aber gleichzeitig mehr Details über den «Whistleblower» ans Licht: So wollen die obersten Verantwortlichen am Kantonsspital St. Gallen (KSSG) – die wichtigsten Zuweiser von Patienten an die USZ-Herzchirurgie - auf keinen Fall, dass ihre Patienten von ihm operiert werden. Sie verweigern die Zusammenarbeit mit dem Chirurgen, weil sie ihn offensichtlich für unfähig halten (mehr hier). Es ist auch merkwürdig, dass der interimistische Leiter der Herzchirurgie dem Leitenden Arzt bei Operationen als «Instruktor» zur Seite stehen muss.

Strafanzeige auf Spitalleitung ausgeweitet

Statt die verfahrene Sache nun möglichst rasch, sauber und fair zu klären und sich bis zum Abschluss der Untersuchung hinter Maisano zu stellen, hat die Spitalleitung eine Anzeigen gegen diesen eingereicht. Maisano wiederum prüft seinerseits eine Strafanzeige. Jetzt liegt auch eine Strafanzeige gegen den Leitenden Arzt und gegebenenfalls gegen Personen der Spitalleitung vor, wie Recherchen von Medinside zeigen. Die Zürcher Staatsanwaltschaft hat die Einreichung der Strafanzeige bestätigt. Es gehe um den angeblichen Vorwurf von ärztlichen Kunstfehlern bei Herzoperationen.
So umfasst die Strafanzeige gemäss Recherche eine Liste mit zahlreichen Eingriffen des umstrittenen Herzchirurgen aus den letzten Jahren. Diese dokumentieren detailliert den Verdacht auf Verletzung der Sorgfaltspflicht und der Patientensicherheit. Es liegt uns fern, die darin enthaltenen komplexen Sachverhalte fachfremd zu beurteilen. Und wir verzichten deshalb, konkrete Vorfälle zu nennen. Nur so viel: Sollten sich die zum Teil groben medizinischen Anschuldigungen bestätigen und öffentlich werden, würde das dem Ruf des Zürcher Unispitals und des Arztes stark zusetzen. Dies wiederum dürfte sich schliesslich mit Sicherheit auf das Vertrauen der Patienten auswirken.

Bereits 2014 Hinweise auf mutmassliches Fehlverhalten

In der Anzeige soll es zudem nicht nur um die Gefährdung der Patientensicherheit gehen, sondern auch um das unscharfe Konstrukt «Mobbing» und um das Arbeitsklima in der Herzchirurgie, das den Verfassern zufolge auf das Verhalten des Leitenden Arztes zurückzuführen ist. Für den Leitenden Arzt, der bislang nicht mit seinem Namen an die Öffentlichkeit getreten ist, gilt die Unschuldsvermutung. 
Kritiker mögen einwerfen, dass die Anzeige bloss eine Retourkutsche aus dem Umfeld von Francesco Maisano sei. Doch es ist anzumerken, dass das mutmassliche Fehlverhalten des Leitenden Arztes offenbar schon seit langem in fachlichen Kreisen bekannt ist. Und die Spitalleitung soll schon früher folgenlos auf die angebliche Inkompetenz des Arztes und die Missstände hingewiesen worden sein, allerdings ohne Folgen oder Sanktionen. In einem Brief an die Herzchirurgie des USZ schreiben die Zuweisenden des KSSG ja auch, dass sie bereits Maisanos Vorgänger Prof. Falk (bis 2014 am USZ) mitgeteilt hatten, dass St.Galler Patientinnen und Patienten nicht vom «Whistleblower» operiert werden sollen. Gleichzeitig mehren sich USZ-intern offenbar die Stimmen, die nun eine unabhängige und objektive Untersuchung im Fall des wiedereingestellten Leitenden Arztes fordern.
Ergänzung vom 9. März 2021
Untersuchung gegen den Hinweisgeber abgeschlossen
Die gegen den Hinweisgeber erhobenen Anschuldigungen wurden von einer unabhängigen Kanzlei unter Beizug eines medizinischen Experten untersucht. Die medizinischen Vorwürfe wurden nicht bestätigt, wie das Unispital mitteilt. Aus der Untersuchung ergebe sich sich jedoch, dass es sich bei der Person des Hinweisgebers um eine stark polarisierende Persönlichkeit handle, die auf einige Mitarbeitende stark einschüchternd gewirkt habe.  
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