Wir haben hier ja
gestern den «Scanadu Scan» vorgestellt: Das Gerät misst Fieber, Puls, Blutdruck, es macht EKGs, testet die Sauerstoffsättigung und erhebt auf Wunsch diverse weitere Daten. Es zeichnet auch alles auf und macht die Daten und Kurven parat zur Übertragung an den Arzt.
All dies im Format eines Eishockey-Pucks. Und zu einem Preis unter 200 Franken.
Es scheint also keine allzu gewagte These, dass diese Art Geräte bald schon zum medizinischen Alltag gehören – und zum Standard unserer Haushalte.
Und für die Entwickler des Geräts ist dies nur der Anfang. An einer
Konferenz bei San Diego malte der Mann hinter Scanadu, der belgisch-amerikanische
Unternehmer Walter De Brouwer, ein Szenario unseres Medizinalltags in einigen Jahren. Und er zeichnete damit auch ein völlig neues Verhältnis von Patienten und medizinischen Versorgern.
Hier einige Thesen, die zu denken geben könnten:
Die heutigen Gesundheits-Tracker sind noch gar nichts
Denn die digitalen Gesundheits-Helfer von heute sind noch nicht zur Gewohnheit geworden. Die grosse Mehrheit Leute nutzen all die Fitnesstracker und tragbaren Messgeräte zwar ganz gern – doch spätestens nach einigen Wochen bleiben sie liegen (Frage: Gell, das trifft sich auch mit Ihren Erfahrungen?).
Interview mit Walter De Brouwer im Rahmen der Scripps-Konferenz «Transforming Medicine», La Jolla, Oktober 2015Es braucht also eine neue Generation von Geräten, die – so De Brouwer – den «Zahnbürsten-Test» bestehen. Das heisst: Man benutzt sie mehrmals täglich. Und man gewöhnt sich damit vollständig an sie. Wenn das geschieht, dann passiert wirklich etwas.
«Brands» verdrängen die medizinischen Leistungserbringer von heute
Wenn die E-Health-Geräte so alltäglich genutzt werden wie Zahnbürsten, dann sammeln die Patienten (De Brouwer nennt sie sowieso Konsumenten) auf verschiedenste Arten Gesundheitswerte – massenhaft. Zugleich werden die Gesundheits-Organisationen die elektronischen Patientendossiers einführen und durchsetzen.
Zusammen entsteht ein Datenberg, wie es ihn noch nie zuvor gab. Eine Frage ist: Wer macht das Geschäft damit?
De Brouwer meint: nicht Spitäler, Ärzteschaft, Krankenkassen. Sondern eher die Patienten/Konsumenten – und ganz normale Konsumgüter-Konzerne.
«Die ganze Informationskette wird sich verlagern, und der medizinische Komplex wird vieles an die Konsumenten verlieren», sagte der Unternehmer an der Konferenz bei San Diego. Und in der Folge dürften einige grosse Marken den ganzen Bereich der vorbeugenden Medizin übernehmen.
Procter & Gamble statt Zahnarzt
Oder anders: Man vertraut auch bei Gesundheitsfragen zunehmend einigen Marken (wie Apple oder Colgate) und weniger den herkömmlichen Medizin-Anbietern. «Sie wollen kein evidenzbasiertes Zeugs», so De Brouwer über die Patienten von morgen. «Sie wollen eine Marke.»
Als Beispiel, wo eine derartige Entwicklung bereits durchgespielt ist, nennt der Silicon-Valley-Unternehmer die Dentalmedizin: Unsere Zahnpflege und -Prävention wird inzwischen fast vollständig von Firmen wie Procter & Gamble bestimmt. Und nicht von Zahnärzten und Dentalkliniken.
Algorithmen entscheiden über das ärztliche Rezept
Was ist der häufigste Zweck eines Arztbesuchs? Dass man ein Rezept kriegt. Wenn aber durch neue Gesundheitsgeräte viele zusätzliche Informationen gesammelt werden, sinken Anzahl und auch die Dauer der Praxisbesuche.
Viele Fragen könnten letztlich durch einen Algorithmus geklärt werden, auf der Basis der Gesundheitsdaten, welche das besagte Gerätchen in jedem Haushalt sammelt und in die Arztpraxis überträgt.
Die Beziehung von Arzt und Patient könnte also noch oberflächlicher werden – der Hausarzt arbeitet eher nebenher in einem Shoppingzentrum, stellt rasch Rezepte aus, die dann gleich in der Apotheke nebenan eingelöst werden können.
Aber ist das wirklich konkret? Wie wirkt sich die Um- und Auslagerung von Medizindaten von den alten Institutionen zu den Patiente im Alltag aus?
Das zeigt dieses filmische Szenario:
Mehr / Quellen:
«Algorithms will replace doctors in prescribing meds, and other predictions from Scanadu CEO Walter De Brouwer», in: «Medcity News», Oktober 2015