Fabian Vaucher, Sie stellen sich Anfang September für eine zweite Amtszeit als Pharmasuisse-Präsident zur Wahl. Dabei haben Sie Konkurrenz bekommen. Was sind die Gründe dafür? Bei jeder Gesamterneuerung sollten die Mitglieder eine Auswahl haben. Dieses Mal geht es aber weniger um die Personen als um einen Richtungsentscheid. Das Interessante ist, dass es nicht darum geht, wohin sich der Apothekerberuf entwickeln soll. Diesbezüglich sind sich Martine Ruggli (die Herausfordererin, Anm. d. Red.) und ich uns einigen. Nicht einig sind wir uns, wie wir dorthin kommen – und welche Rolle dabei der Berufsverband spielen soll.
Was ist denn Ihr Ziel mit dem Verband?
Dazu muss man kurz in die Vergangenheit schauen. Pharmasuisse ist Berufs- und Branchenverband in einem. Auch aufgrund neuer kartellrechtlicher Bestimmungen hatte sich Pharmasuisse in den Nullerjahren neu aufgestellt – man wurde zum Dienstleistungsverband. Zum Kerngeschäft – Imagepflege, Bildung, Rahmenbedingungen – kamen damals viele neue Dienstleistungen dazu. Über diese sollte sich der Verband anschliessend finanzieren.
Wie sehen diese Angebote aus?
Das sind zum einen zwei Datenbanken. Die Eine listet internationale Medikamente auf; die Andere ist ein sehr hochwertiges Verzeichnis aller referenzierten Studien zu Wirkstoffen. Zum anderen haben wir eigene Bildungsangebote und ein eigenes Qualitätssicherungsangebot. Doch alle diese Angebote waren und sind nicht kostendeckend. Auch weil unsere Mitglieder Preise unter den Marktniveau erwarteten. So resultierte ein jährlicher Verlust von ein bis zwei Millionen Franken.
Pharmasuisse will diese Dienstleistungen künftig nicht mehr anbieten. Das sorgt für Kritik – auch von Ihrer Herausfordererin.
Wir verkaufen die Angebote an den Markt. Die Mitglieder sollen die Dienstleistungen von den Käufern weiterhin zu fairen Preisen beziehen können. Was man zudem sehen muss: Der Markt hat sich seit der Liberalisierungen verändert. Aus Einzelapotheken sind Ketten entstanden. Letztere schufen selber Angebote. Pharmasuisse fand sich so mit seinen Angeboten in Konkurrenzsituationen wieder. Gleichzeitig ist der Kundenkreis begrenzt: Es gibt rund 1800 Apotheken in der Schweiz. Pharmasuisse hat es einst verpasst, beispielsweise auch Arztpraxen als Kunden zu gewinnen.
Wie soll sich der Verband künftig finanzieren?
Wir gehen zurück zu einer Finanzierung über die Mitgliederbeiträge. Doch auch hier warten Herausforderungen. Die Beiträge dürften eher sinken. Denn die ganze Branche befindet sich in einer schwierigen Transformationsphase.
Wohin geht die Reise?
Apotheken waren bisher Abgabestellen. Durch die Revision von Heilmittel- und Medizinalberufegesetz können sie nun zu Versorgern werden. Etwa im Bereich Public Health oder bei der Therapiebegleitung chronisch Kranker.
Wie Sie selbst sagen, ist das auch das Ziel von Ruggli.
Ja, doch dann fangen die Unterschiede an. Ruggli hat ja bis im Vorjahr die Abteilung Innovationen bei Pharmasuisse geleitet. Dann hat sie den Verband nach Meinungsverschiedenheiten verlassen.
Wo gehen die Meinungen denn auseinander?
Es geht darum, welche Rolle der Verband bei der Implementierung des Wandels hin zu Gesundheitsversorgern einnehmen soll. Ich sage, dass das muss über die Ketten laufen muss. Sie dagegen will eine starke Rolle des Verbands. Meine Erkenntnis der letzten sechs Jahren als Präsident ist aber, dass das die wirtschaftlich Verantwortlichen machen müssen. Die Haltung der Romandie, die hinter Ruggli steht, ist – zugespitzt – eine sozialistische Haltung. Meine ist derweil eine marktliberale Haltung, wie es sie in der Deutschschweiz stärker gibt.
Die im letzten Februar intern kommunizierten Umstrukturierungen haben auch einen beträchtlichen Stellenabbau verbandsintern zur Folge.
Ja, rund ein Viertel der Stellen fällt weg. Der Abbau hat bereits stattgefunden. Von 82 auf derzeit 66 Mitarbeitende bzw. von 70 auf 57 Vollzeitstellen.
Zur Person
Der 52-jährige Fabian Vaucher präsidiert Pharmasuisse seit Anfang 2015. Daneben führt der studierte Apotheker mehrere Apotheken und eine Drogerie im Kanton Aargau. Vor seiner Wahl war er Präsident des Aargauischen Apothekerverbandes.
Ihre Kritiker bemängeln, dass durch die Abgänge viel Know-how verloren gegangen ist.
Das ist durchaus so. Dass sich auch nicht betroffene Personen persönlich neu orientieren, stellt in jeder Reorganisation eine grosse Herausforderung dar. Und dann gibt es auch eine kleine Minderheit, die mit der neuen Ausrichtung nicht zufrieden ist. Nun müssen wir auf dem Markt nach neuer Kompetenz suchen. Wir brauchen aber auch Wissen in neuen Bereichen – so etwa im Bereich Labelling. Wir suchen Mitarbeitende mit viel Spezialwissen. Der Aufbau von Wissen passiert deshalb nicht von heute auf morgen. Andere Kritik weise ich zurück.
Welche denn?
Etwa dass es im Verband an pharmazeutischem Fachwissen fehle. Das stimmt nicht. Ein Drittel unserer Mitarbeitenden sind Pharmazeuten. Nicht einverstanden bin ich auch mit der Kritik, dass wir nicht genügend auf die neue Tarifstruktur vorbereitet seien. Eine solche wird nicht von heute auf morgen eingeführt. Und wir arbeiten im Hintergrund mit Hochdruck an der Sache. Was stimmt: Es ist eine hochkomplexe Sache auf verschiedenen Ebenen - das führt zu einigen Ungewissheiten.
Auch kritisiert wird die Geschäftsführung von Pharmasuisse.
Aus meiner Sicht muss der Verband zeitgemäss und professionell geführt werden. Auch muss die Digitalisierung vorangetrieben werden. Vor meiner Zeit war die Führung sehr paternalistisch – im Sinne von «Apotheker helfen Apotheker». Man agierte schon länger nicht mehr zeitgemäss. Diese Art zu wirtschaften führte auch zu den erwähnten Defiziten. Dass man ein solches Defizit während 15 Jahren akzeptiert, verstehe ich nicht. Deshalb brauchen wir Personen mit Managementerfahrung. In der Geschäftsleitung brauchen und haben wir deshalb keine Apotheker. Das sehen manche kritisch. Ich sehe das anders: Im Vorstand und in den Projekten haben wir Pharmazeutinnen und Pharmazeuten als Fachpersonen. Dort sind sie an der richtigen Stelle.
Was erhalten Sie von den Mitgliedern für Rückmeldungen?
Es herrscht eine grosse Verunsicherung. Aber ich finde es wichtig, dass wir diese Debatte führen: Wollen wir moderner und als Folge davon auch etwas unnahbarer werden - oder gehen wir zurück in Richtung Genossenschaft, wo man sich zusammenrottet und sich innerhalb der Branche unterstützt. Meine Befürchtung ist, dass bei dieser Frage ein Röstigrabe vorhanden ist. Das liegt auch an den unterschiedlichen Rahmenbedingungen: In der Deutschschweiz befinden sich die Apotheken in einer Konkurrenzsituation und sind businessorientierter als jene in der Romandie, wo nur sie Medikament abgeben dürfen.
Spaltet sich der Verband entlang der Sprachgrenze auf?
Das würde ich bedauern. So würde die Schlagkraft abnehmen. Auch wäre es nachher fast unmöglich, neue Tarifverträge auszuarbeiten.
Die Deutschschweiz ist der mit Abstand grösste Landesteil. Bezüglich der Wahl sieht es also gut aus für Sie?
In der Westschweiz ist die Apothekendichte aber viel höher. In der Deutschschweiz und Romandie gibt es je rund 800 Apotheken – und 200 im Tessin.
Das wird also spannend am 9. September. Haben Sie schlaflose Nächte?
Was soll ich sagen? Ich sehe die aktuelle Situation auch als Chance, erklären zu können, wo ich mit dem Verband hin will. Was ich aber merke: Für die Geschäftsleitung und die Mitgliedern ist die Situation keine einfache. Dass ist nicht optimal. Denn gibt auch sonst grosse Herausforderung zu bewältigen.
Das Medinside-Interview mit der Herausfordererin Martine Ruggli können Sie
hier nachlesen.