Eine Schwarze Liste weniger

In Schaffhausen wird die Schwarze Liste für säumige Prämienzahlende abgeschafft. Auch schweizweit stehen die Listen vor dem Aus.

, 16. Dezember 2020 um 10:07
image
  • prämien
  • versicherer
  • schaffhausen
  • politik
  • ethik
Bei den betroffenen Patientinnen und Patienten sorgen sie für Schmerzen und Stress - die Behandlerinnen und Behandler stellen sie vor schwierige ethische Entscheidungen: Schwarze Listen, auf denen säumige Prämienzahler aufgeführt sind. Vor Kurzem führten noch neun Kantone eine solche Liste, bald sind es nur noch sechs. Nachdem Solothurn und Graubünden zuletzt die Abschaffung beschlossen haben, folgt nun der Kanton Schaffhausen. Das dortige Kantonsparlament hat mit grossem Mehr für das Ende der Schwarzen Liste votiert, wie Radio SRF berichtet.
Die Mehrheit war sich einig, dass viele unverschuldet auf der Liste landen, weil sie die steigenden Prämien nicht stemmen können. Schweizweit verfügen gemäss BAG rund 166'000 Versicherte über Zahlungsrückstände bei den Krankenkassen.

Wer bezahlt?

Was passiert eigentlich mit den Behandlungskosten von säumigen Prämienzahlenden? Die Kantone übernehmen 85 Prozent der Forderung, der Verlustschein bleibt beim Versicherer.
Eine im Bundesparlament hängige Standesinitiative des Kantons Thurgau will dies anpassen. Der Vorstoss verlangt, dass die Kantone die Schuldscheine erhalten, wenn sie im Gegenzug 90 Prozent der Kosten übernehmen.
Auch national sind die Listen unter Druck. Geht es nach dem Willen der ständerätlichen Gesundheitskommission - Entscheid vom Oktober 2020 -, könnten die Listen bereits per 2022 verboten werden. Auch die Konferenz der Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) ist für die Abschaffung.

Ethisch problematisch

Was ist das Problem dieser Listen? Die Medizinethikerin Leana Cavelti beschreibt die ethischen Fragen in ihrem preisgekrönten Essay «Schwarze Liste als Todesurteil» wie folgt: 

  • «Ärztinnen und Ärzte müssen diesen Patienten von Gesetzes wegen eine medizinische Versorgung verweigern und sie unbehandelt nach Hause schicken. Davon ausgenommen sind Notfallbehandlungen. Aber, wo fängt ein Notfall an und wo hört er auf? Sind unsere Ärztinnen und Ärzte in der Lage, eine solche Grenze in jedem Fall klar zu ziehen? Und ist die Behandlungsverweigerung, auch wenn sie rechtlich zulässig ist, ethisch zweifelsfrei vertretbar?»

Todesfall wegen Liste

Dass das nicht immer gut ausgeht, zeigt ein Fall aus dem Jahr 2018. Ein HIV-positiver Patient aus Chur erhielt keine Behandlung, weil er auf der Schwarzen Liste aufgeführt war. In der Folge verstarb er. In Schaffhausen wäre ein solcher Fall bald nicht mehr möglich.
Weiterhin Schwarze Listen führen die Kantone Thurgau, St. Gallen,  Zug, Luzern, Aargau und Tessin. 
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Alzheimer Schweiz: SP-Urgestein wird Präsident

Der ehemalige Bieler Stadtpräsident Hans Stöckli übernimmt die Spitze der Organisation.

image

Knall bei den Kassen: 13 Versicherer verlassen Santésuisse und Curafutura

Die grössten Krankenversicherer wollen mit einem neuen Verband eine gemeinsame Stimme schaffen.

image

Monsieur Prix mag das Réseau de l’Arc

Preisüberwacher Stefan Meierhans schlägt vor, dass die Politik viel stärker auf grosse Gesundheitsnetze mit festen Budgets setzt.

image

Sparvorschlag des Tages: Die Triple-A-Franchise

Zwei Ökonomen der Uni Freiburg haben eine Idee, wie sich das Franchise-System buchstäblich umstürzen liesse. Zum Nutzen von Prämienzahlern und Patienten wie von Versicherern.

image

Keine Zulassungserleichterung für Orphan Drugs

Eine schnellere Zulassung für Arzneimittel bei seltenen Krankheiten hätte laut dem Bundesrat hohe Kostenfolgen.

image

Kinder- und Jugendpsychiatrie: Nun soll's der Bundesrat richten

Der Nationalrat verlangt, dass der Bundesrat in die Kompetenz der Kantone und der Tarifpartner eingreift.

Vom gleichen Autor

image

Covid-19 ist auch für das DRG-System eine Herausforderung

Die Fallpauschalen wurden für die Vergütung von Covid-19-Behandlungen adaptiert. Dieses Fazit zieht der Direktor eines Unispitals.

image

Ein Vogel verzögert Unispital-Neubau

Ein vom Aussterben bedrohter Wanderfalke nistet im künftigen Zürcher Kispi. Auch sonst sieht sich das Spital als Bauherrin mit speziellen Herausforderungen konfrontiert.

image

Preisdeckel für lukrative Spitalbehandlungen?

Das DRG-Modell setzt Fehlanreize, die zu Mengenausweitungen führen. Der Bund will deshalb eine gedeckelte Grundpauschale - für den Direktor des Unispitals Basel ist das der völlig falsche Weg.