«Ein Drittel der Notfall-Patienten könnte telemedizinisch behandelt werden»

Bisher wurden sie von Kollegen oft belächelt: Teleärzte. Am Berner Inselspital werden sie künftig zu einem wichtigen Teil der Notfallmedizin.

, 2. Oktober 2019 um 06:58
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Teleärzte und Teleärztinnen sind in ihrem Kollegenkreis nicht unbedingt die angesehensten Fachleute. Das könnte sich bald ändern, ist Aris Exadaktylos, Direktor und Chefarzt des Universitären Notfallzentrums am Inselspital, überzeugt. «Wir gehen davon aus, dass rund ein Drittel aller ambulanten Patienten, die zu uns kommen, auch über eine telemedizinische Plattform behandelt werden könnten», sagt er in einem Interview mit der «Berner Zeitung».

Insel bildet ab nächstem Jahr Telemediziner aus

Doch dazu braucht es entsprechend ausgebildete Ärzte, die wissen, wie und wann elektronische Medien in der Notfallmedizin am besten eingesetzt werden. Das Berner Inselspital richtet deshalb – wie Medinside bereits berichtet hat – nächstes Jahr eine Assistenzprofessur für Tele-Notfallmedizin ein. Gesponsert wird sie vom Touring-Club Schweiz (TCS).

Wieder mehr Zeit für die Patienten dank Telemedizin?

Aris Exadaktylos ist sich bewusst, dass die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer nicht freudig auf mehr Telemedizin warten, sondern eher skeptisch sind und den persönlichen Kontakt mit ihrem Arzt oder mit ihrer Ärztin bevorzugen. Trotzdem ist er überzeugt davon, dass mehr Computereinsätze in der Medizin dazu beitragen werden, dass Ärzte wieder mehr Zeit für den direkten Kontakt zu den Patienten haben.

Keine Beratung nötig für die einfachen Dinge im Leben

Er räumt aber auch ein: Bei alltäglichen Gebrechen wie Schürfungen, Husten, Schnupfen oder Kopfschmerzen werde es vermutlich wegen der Telemedizin weniger direkte Arzt-Patienten-Kontakte geben. Schlimm sei das aber nicht. «Wir brauchen für die einfachen Dinge im Leben ja auch keine spezielle Beratung. Wie in der Migros, dort bezahle ich meist an den Kassenautomaten.»

Sensoren überwachen dereinst permanent Blut und Puls

Er prophezeit, dass die Ärzte in Zukunft noch von weit mehr Technik unterstützt würden, als man sich das heute vorstelle. Zum Beispiel bei der Prävention. Er kann sich vorstellen, dass Menschen künftig permanent mit Sensoren ihren Blutdruck, die Sauerstoffsättigung des Blutes und den Puls überwachen lassen – und der Hausarzt automatisch alarmiert wird, sobald ein Wert nicht normal sind.

Kauft man Telemedizin-Anschluss künftig gleich zusammen mit dem Internet?

Im Interview spricht Exadaktylos sehr konkret darüber, wie die telemedizinische Zukunft aussehen wird: «Man wird in der Healthmobile-Ecke im Swisscom-Laden eine Home-Medical-Unit kaufen können. Zu Beginn kostet diese 10 000 Franken, dann 5000 Franken, und dann gibt es sie im Abo zusammen mit dem Internet.»
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