Dürfen Ärzte und Pflegepersonal von Patienten erben?

Eine 94-Jährige vererbte ihrem Hausarzt ihre Wohnung in St. Moritz. Der Neffe geht vor Gericht. Dürfen Ärzte und Pflegepersonal überhaupt von ihren Patienten erben?

, 28. August 2019 um 11:59
image
  • spital
  • ärzte
  • pflege
  • recht
Es ist ein hässlicher Erbstreit, über den der «Blick» berichtete: Der Neffe einer 94-jährigen Frau warf deren Hausarzt vor: «Er hat sich die Wohnung meiner Tante geschnappt!» Der Neffe ist überzeugt, dass die Wohnung in St. Moritz ihm zustehe. Er will deshalb vor Gericht durchsetzen, dass der letzte Wille seiner Tante für ungültig erklärt wird.
Seine Chancen stehen schlecht: Das regionale Gericht hat seine Klage abgewiesen. Doch der Fall zeigt: Wenn Patienten ihren Arzt, ihre Pflegerin oder ihren Pfleger als Erben einsetzen, wird es heikel.

Gültig oder nicht? Der Ermessensspielraum ist sehr gross

Sind Testamente von Personen, die ihren Arzt, ihre Ärztin oder ihr Pflegepersonal als Universal- oder Teilerben einsetzen, überhaupt gültig? Die Antwort lautet: Je nachdem. Denn es gibt einen grossen Ermessensspielraum.
So verbietet der Berufsverband der Schweizer Ärzte (FMH) seinen Mitgliedern, dass sie von ihren Patienten grössere Geschenke annehmen. Denn solche Zuwendungen können die ärztlichen Entscheidungen beeinflussen. Umso mehr, wenn der Patient gleich eine ganze Erbschaft in Aussicht stellt.

Kein Gesetz verbietet das Beerben von Patienten

Auch Spitäler und Altersheime untersagen es ihren Angestellten, von Patienten grössere Geschenke annehmen. Nur: So generell lassen sich diese Regelungen im Streitfall nicht durchsetzen.
In der Schweiz gibt es nämlich kein Gesetz, das Ärzten, Ärztinnen und dem Pflegepersonal generell verbietet, ihre Patienten zu beerben. Es gibt nur eine gesetzliche Regelung, die festhält: Eine letztwillige Verfügung ist anfechtbar, wenn der Verfasser sich gegenüber Beeinflussungsversuchen nicht genügend wehren konnte.

Kurzfristige Testament-Änderungen sind verdächtig

Das kann etwa der Fall sein, wenn ein Arzt erst kurz vor dem Ableben seiner Patientin überhaupt in Kontakt mit ihr gekommen ist und er dann innert kurzer Zeit im Testament als Erbe eingesetzt wird. Dann fragen sich die Verwandten zu Recht, ob in diesem Fall alles korrekt gelaufen sei.
Aber es gibt auch eine andere Seite. Es kommt vor – wie es auch im geschilderten Fall in St. Moritz der Fall war - dass Patienten über Jahre ein enges Verhältnis zu ihrem Arzt entwickeln und dann am Ende ihres Lebens einen Teil ihres Vermögens lieber ihrem Arzt als ihrer Verwandtschaft überlassen.

In Zürich erbte eine Pflegefachfrau - zu Recht

Auch zu Pflegefachleuten können sich solche Beziehungen entwickeln, wie ein Fall am Spital Wetzikon vor zwei Jahren zeigte. Der «Blick» titelte damals: «Patient tot, Krankenschwester reich». Doch es zeigte sich: Der Krebspatient vermachte der Pflegefachfrau sein Haus schon drei Jahre vor seinem Tod.
Immer wieder müssen Gerichte solche Streitfälle beurteilen. Bisher ist der Bundesrat aber davor zurückgeschreckt, gesetzlich zu regeln, dass Medizinalpersonen und Pflegepersonal generell nichts von ihren Patienten erben dürfen.

Im Zweifelsfall: Erbschaft ausschlagen

Trotzdem lautet ein wichtiger Rat für Ärzte, Ärztinnen und Pflegefachpersonen: Erbschaften von Patienten und Patientinnen sollten sie im Zweifelsfall besser ausschlagen. Ausser es gäbe tatsächlich eine langjährige Beziehung. Diese muss aber belegbar sein, damit die letzte Verfügung juristisch wasserdicht ist.
Solche Ausnahmen gibt es übrigens in Frankreich nicht. Das französische Recht regelt das Erben klarer und schärfer. Dort heisst es ausdrücklich: Personen, bei denen die Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses zu befürchten ist – also etwa Vormunde, Ärzte, Apotheker und sogar Geistliche – dürfen nichts erben von Personen, die sie betreuen.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Weniger Bürokratie in der Pflege

Der Bundesrat sollte die Bürokratie in der Pflege abbauen. Er hält aber nichts davon.

image

Ein Walliser wird Chefarzt am Inselspital

Der Nachfolger von Klaus Siebenrock als Chefarzt Orthopädische Chirurgie und Traumatologie heisst Moritz Tannast.

image

Basel: Adullam-Stiftung engagiert Jörg Leuppi

Der CMO des Kantonsspitals Baselland wird Stiftungsrat bei der Organisation für Altersmedizin.

image

USZ macht Verlust von 49 Millionen Franken

Verantwortlich dafür sind unter anderem inflations- und lohnbedingte Kosten. Zudem mussten Betten gesperrt werden.

image

Auch das KSW schreibt tiefrote Zahlen

Hier betrug das Minus im vergangenen Jahr 49,5 Millionen Franken.

image

...und auch das Stadtspital Zürich reiht sich ein

Es verzeichnet einen Verlust von 39 Millionen Franken.

Vom gleichen Autor

image

SVAR: Neu kann der Rettungsdienst innert zwei Minuten ausrücken

Vom neuen Standort in Hundwil ist das Appenzeller Rettungsteam fünf Prozent schneller vor Ort als früher von Herisau.

image

Kantonsspital Glarus ermuntert Patienten zu 900 Schritten

Von der Physiotherapie «verschrieben»: In Glarus sollen Patienten mindestens 500 Meter pro Tag zurücklegen.

image

Notfall des See-Spitals war stark ausgelastet

Die Schliessung des Spitals in Kilchberg zeigt Wirkung: Nun hat das Spital in Horgen mehr Patienten, macht aber doch ein Defizit.