Diese zehn Ärzte kämpfen für das Spital Wattwil

Am Sonntag befindet der St. Galler Souverän über das Spital Wattwil. Vier Ärztinnen und sechs Ärzte erklären, weshalb sie die Schliessung als Fehler betrachten.

, 10. Juni 2021 um 10:10
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Um keine Verwirrung zu stiften: Am kommenden Abstimmungswochenende befinden St. Gallerinnen und St. Galler nicht über die Schliessung des Spitals Wattwil. Die Umwandlung in ein Gesundheits-, Notfall- und Kompetenzzentrum für spezialisierte Pflege (GNP) steht nicht zur Diskussion. An der Urne wird deshalb bloss darüber abgestimmt, ob der vor sieben Jahren beschlossene Baukredit ausgeschöpft und somit eine Fehlinvestition von 22 Millionen Franken getätigt werden soll. Medinside berichtet hier darüber. 
Das hindert vier Ärtzinnen und sechs Ärzte aus dem Toggenburg nicht daran, knappe drei Wochen vor der Abstimmung die Schliessung des Spitals als falsch zu bezeichnen und in einem Papier ihre Überlegungen zum besten zu geben. Das Papier datiert vom 26. Mai dieses Jahres. Publiziert wurden Teile davon  unter anderem am 6. Juni auf dem Onlineportal Uzwil24.

Grösste Bedenken

In ihrer Stellungnahme äussern die Ärztinnen und Ärzte «grösste Bedenken», dass die medizinische Grundversorgung der Toggenburger Bevölkerung aufgrund eines politischen Entscheides nachhaltig leiden werde und diese Konsequenzen nicht mehr so schnell rückgängig gemacht werden könne. «Deshalb möchten wir darauf bestehen, unseren Standpunkt auch darzulegen,» steht im Papier zu lesen.
Das sind die 10 Ärztinnen und Ärzte
  • Dr. med. Laurenz Gossweiler
  • Dr. med. Uwe Hauswirth
  • Dr. med. Marc Oliver Koch
  • Dr. med. Daniel Güntert
  • Dr. med. Dagmar Wemmer
  • Dr. med. Brigitte Lautenschlager
  • Dr. med. Michaela Signer
  • Dr. med. Jean Luc Meyer
  • Dr. med. Jürg Winnewisser
Die Ärzte bestreiten unter anderem, dass in Zentrumsspitälern eine qualitativ bessere Versorgung gewährleistet werden könne. «Das Spezialwissen der Fachärzte hängt nicht davon ab, ob sie aktuell in einem Zentrumsspital oder in einem Regionalspital tätig sind. Es hängt davon ab, wo sie sich vorher ihre Ausbildung angeeignet und ihre Erfahrungen gesammelt haben.»

Massgebend sei die Ausbildung

Der mit Abstand grösste Teil der Fachärzte in den Regionalspitälern hätte  die Ausbildung in Universitätskliniken und Zentrumsspitälern absolviert. Die praktische Erfahrung mache es aus, die eigenen Grenzen zu erkennen und den richtigen Zeitpunkt zu wählen, wo weitere Hilfe beigezogen werden müsse. «Es ist eben gerade nicht so, dass in Zentrumsspitälern per se bessere Qualität geboten wird, wie das von diversen, medizinisch häufig wenig kompetenten Exponenten immer wieder behauptet wird.»
Hier sei zu erwidern, dass es nicht nur um die Ausbildung, sondern auch um die Routine geht. Bei nur geringen Fallzahlen ist auch die beste Ausbildung nicht gut genug, wenn das Erlernte nicht oft genug praktiziert werden kann.

Was heisst medizinische Qualität?

Interessant ist noch folgender Punkt: Die zehn Ärztinnen und Ärzten definieren medizinische Qualität als eine «wohnortsnahe medizinische Versorgung durch eine vernetzte Ärzteschaft, die sich gegenseitig kennt».
Dies entspreche nicht der landläufigen Meinung. Denn meist werde medizinische Qualität mit hochspezialisierter Chirurgie und grossen Fallzahlen erklärt und gleichgesetzt. Dies sei durchaus wichtig, entspreche aber nicht der im Toggenburg gelebten Realität.

Es geht nicht um hochspezialisierte Medizin

«Die allermeisten Hospitalisierungen aus unseren Hausarztpraxen sind nötig bei älteren Menschen, die noch selbständig zu Hause wohnen», jedoch in einer akuten Krankheitssituation stationäre medizinische Unterstützung benötigten. Hier sei nicht primär hochspezialisierte Medizin gefragt, sondern eine kompetente, liebevolle, menschliche allgemeinmedizinische Betreuung wohnortsnah in der bekannten Umgebung, wo auch Besuche von Angehörigen und Bekannten leicht möglich seien.
«Für diese allgemeinmedizinische Grundversorgung ist das dezentrale Regionalspital spezialisiert. Dies sei medizinische Qualität und trage durch das heimatnahe Umfeld wesentlich zur raschen Genesung bei.
Im Papier ist weiter zu lesen, dass das Spital Wattwil «absichtlich ausgeblutet» wurde. Deshalb liege es auf der Hand, dass in diesem Zustand keine 7000 Spitaleintritte pro Jahr zu erwarten seien, um auf die rechnerische ökonomische Mindestgrösse zu kommen. 5000 Spitaleintritte bei 80 Betten seien aber realistisch. 

Ohne Subventionen geht es nicht

«Um ein Allgemeinspital in dieser Grösse betreiben zu können, benötigt es sicherlich Subventionen», geben die Ärzte zu. Vor allem aber brauche es einen politischen Willen, denn Spitäler seien Subventionsbetriebe und keine Renditeobjekte, wie dies von namhaften Gesundheitsökonomen fälschlicherweise gefordert werde.
Hier möchte man einwenden, dass ja das Spital nicht gänzlich geschlossen, sondern in ein Gesundheits-, Notfall- und Kompetenzzentrum für spezialisierte Pflege (GNP) umgewandelt wird. Gerade der 24-Stunden-Notfall werde der weitverzweigten Topografie des Toggenburgs gerecht.
Doch für die genannten Mediziner sind die 24-Stunden-Betten für Notfälle, die einer Überwachung bedürften, wegen des hohen personellen Aufwands niemals rentabel. Sobald ein Spitalaufenthalt von über 24 Stunden benötigt werde, müssten die Kranken in ein anderes Spital verlegt werden. Dies dürfte dann vor allem die älteren, betagten Menschen betreffen, die zur psychosozial adäquaten Versorgung auf ihre Angehörigen angewiesen seien.
«Ambulant vor stationär» werde im internistischen und geriatrischen Bereich nie im gewünschten Masse möglich sein; dies liege in der komplexen Natur der menschlichen Gesundheit im Alter, ist im Papier weiter zu lesen. Für spezialisierte Langzeitpflege, wie dies die Solviva AG anbietet, sei im Toggenburg kein Bedarf, sie wäre verfehlter Lückenbüsser für das Vakuum, wenn das Spital geschlossen würde.
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