Gesundheitskosten: Das sind die kritisierten Pläne des Bundes

Der Bund will Prämienverbilligungen künftig nicht mehr mitfinanzieren. Das Ansinnen stösst auf Widerstand. So könnten Alternativen aussehen.

, 3. Juni 2019 um 11:46
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Die Prämienlast für die Versicherten könnte in Zukunft weiter ansteigen. Der Grund: Bund und Kantone wollen die Kostenverantwortung in unterschiedlichsten Bereichen neu verteilen. Betroffen sind etwa der öffentliche Verkehr, die Ergänzungsleistungen - und eben die Prämienverbilligungen. Konkret bedeutet dies, dass sich der Bund fortan nicht mehr an den Kosten für die Prämienverbilligungen beteiligt - die Kantone werden dafür in anderen Bereichen entlastet. Federführend beim Projekt Aufgaben­teilung II ist Bundesrat Ueli Maurer.
Heute stemmt der Bund 60 Prozent der Prämienverbilligungen - den Rest übernehmen die Kantone. Wenn letztere die ganze Last selbst tragen müssen, könnten sie verlangen, selbst über die Bemessung der Verbilligungen zu bestimmen. Dies befürchten Politiker im Bundesparlament, wie die Tamedia-Zeitungen am Montag berichten. Und weil die Kantone aufgrund des Steuerwettbewerbs meist klamm sind, würden mit den wegfallenden Beiträgen wohl schlicht auch die Prämienverbilligungen zusammengestrichen. 
Gegenüber von Medinside kritisiert auch der Gesundheitsökonom Heinz Locher das An. Auch er fürchtet, dass die Prämienlast für die Versicherten weiter ansteigen könnte. Dies sei den Versicherten nicht zuzumuten. Für Locher sollte die Prämienlast maximal 10 Prozent des Haushaltseinkommens betragen. Locher findet die Initiative der SP sinnvoll, welche eine solche Beschränkung fordert. Die Obergrenze für die Belastung der Haushalte mit Prämien, Franchisen und Selbstbehalten würde gemäss Locher die Prämiennot vieler Haushalte lindern und dem unfreiwilligen Verzicht auf Arztkonsultationen aus finanziellen Gründen und dem Verlust des Versicherungsschutzes (schwarze Listen) vorbeugen.
Bund und Kanton stärker in Verantwortung nehmen
Die Idee der Lastenumverteilung der Prämienverteilungen zu den Kantonen stört Locher auch aus einem weiteren Grund. Die Neuverteilung setze falsche oder keine Anreize. Locher schlägt deshalb selbst zwei Varianten vor.
Variante 1: Anstatt wie bis anhin vom KVG vorgesehen mit 7,5 Prozent, soll sich der Bund künftig mit 15 Prozent an der Gesamtprämienlast beteiligen. Die Prämienbelastung für die Versicherten würden auf 10 Prozent des Haushaltseinkommens beschränkt. Den Rest der Kosten würden die Kantone tragen. Unter dem Strich würden Bund und Kantone so stärker belastet, die Prämienzahlenden entlastet.
Die Überlegungen dahinter: Der Bund würde stärker in die Verantwortung genommen. «Dieser ist der Herr über das KVG, schöpft seine Möglichkeiten aber nicht aus», sagt Locher. Der Bund unterlasse seine Pflichten. Bei einer höheren Kostenbeteiligung steige der Druck auf dem Bund, seine Möglichkeiten zu nutzen. Durch die Beschränkung der Prämienlast stiegen gleichzeitig auch die Kosten für die Kantone. Dies würde die Kantone animieren, die für Locher «falsche Spitalpolitik» zu ändern. Denn Locher ist überzeugt: Nur die Finanzdirektoren können die Fehlentwicklungen im Gesundheitswesen korrigieren. 
Denn derzeit sei das Gesundheitswesen wie ein süchtiger Mensch, der nach immer mehr Stoff - sprich nach mehr Geld - dürste. «Wenn Bund und Kantone ihre Verantwortung nicht wahrnehmen, sollen sie die sich daraus ergebenden finanziellen Folgen selbst tragen», so Locher. Im Unterschied zu den Prämienzahlern könnten sich Bund und Kantonen  durch geeignete Massnahmen selbst gegen den Kostenanstieg wehren. 
Als Variante 2 schlägt Locher eine Zentralisierung von Verantwortung und Kosten beim Bund vor, wie dies in der Vergangenheit der Rechtsprofessor Tomas Poledna gefordert hat. 

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