Die Pflege-Initiative ist nicht die «Taube auf dem Dach»

Was ist nun eigentlich besser fürs Pflegepersonal: Die Pflegeinitiative oder der Gegenvorschlag des Parlaments? Medinside kommentiert.

, 27. Oktober 2021 um 05:29
image
  • pflegeinitiative
  • pflege
  • hplus
  • senesuisse
  • spitex
Daran gibt es nichts zu rütteln: Die Pflegeinitiative nützt dem Pflegepersonal einiges mehr als der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments. Denn die Initiative bietet eindeutig mehr als das, was das Parlament dem Pflegepersonal gewähren will.

Der Gegenvorschlag sieht vor:

  • Eine Ausbildungsoffensive: Der Bund spricht Ausbildungsbeiträge von einer Milliarde Franken über acht Jahre.
  • Neue Kompetenzen: Pflegefachleute dürfen bestimmte Pflegeleistungen ohne ärztlichen Auftrag erbringen und selbstständig abrechnen.

Die Initiative sieht zusätzlich vor:

  • Pflegefachleute im Beruf halten: Mit besseren und familienverträglichen Arbeitsbedingungen.
  • Sicherung der Pflegequalität: Mehr Personal pro Schicht.
Gegen solche Verbesserung lässt sich kaum etwas sagen. Doch warum empfehlen dann ausgerechnet die Spitäler und Heime, die Initiative abzulehnen? Sie tun dies mit einem seltsamen Argument. Sie behaupten nämlich, die Initiative verzögere die Verbesserungen fürs Pflegepersonal. Es drohe «ein jahrelanger Prozess mit ungewissem Ausgang.»
Das tönt sehr personalfreundlich. Doch die Spitäler sind auch aus Eigennutz gegen die Initiative. Für sie wäre die Annahme des Gegenvorschlags einiges billiger: Der Bund und die Kantone würden die Ausbildungsoffensive bezahlen. Wird hingegen die Initiative angenommen, stünden auch die Arbeitgeber in der Pflicht: Sie müssten für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Personal sorgen – und das auch bezahlen.
Zu einem «jahrelangen Prozess mit ungewissem Ausgang» wird es mit der Annahme der Pflegeinitiative nicht kommen. Denn sie fordert vom Bundesrat innert 18 Monaten Sofortmassnahmen zur Bekämpfung des Pflegenotstands.
Es geht also am 28. November nicht darum, zwischen der verlockenden Taube auf dem Dach und dem kleineren Spatzen in der Hand zu wählen, wie das die Gegner der Initiative darstellen. Mit der Initiative hat das Pflegepersonal die Taube in der Hand. Es erhält endlich die nötigen Verbesserungen und muss nicht darauf warten, bis sich die Spitäler freiwillig dazu entscheiden, ihr Personal pfleglicher zu behandeln.
Nicht einmal aus taktischen Gründen muss man auf den indirekten Gegenvorschlag setzen. Sollte die Initiative abgelehnt werden, tritt automatisch der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments in Kraft.

Die Befürworter der Initiative:

Ärztevereinigung FMH, Pharmasuisse, Gewerkschaften, SP, die Grünen und Grünliberalen, EVP.

Die Gegner der Initiative:

Der Spitalverband Hplus, der Heimverband Senesuisse, die privaten Spitexorganisationen, SVP, FDP, der Gemeindeverband und die Konferenz der Kantonsregierungen

Die Unentschlossenen:

Die Mitte-Partei hat Stimmfreigabe beschlossen.

Die Abweicher:

Die Junge SVP des Kantons Bern und die Junge Mitte-Partei der Schweiz befürworten die Initiative.
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

So funktioniert virtuelle Patientenpflege

In den Gesundheitssystemen der USA ist virtuelle Krankenpflege bereits eine wichtige Ergänzung der Patientenversorgung.

image

Kaiser Permanente vor grösstem Streik in den USA

In den USA steht der grösste Streik im Gesundheitswesen der Geschichte kurz bevor. Mittendrin: der integrierte Gesundheitsdienstleister Kaiser Permanente.

image

Pflege: Software soll Pflegekräfte entlasten

Das Kantonsspital Graubünden erhält mehrere hunderttausend Franken zur Unterstützung eines Digitalisierungsprojekts zur Effizienzsteigerung in der Pflege.

image

Neue Konkurrenz für die Spitex

Ein weiteres privates Unternehmen vermittelt Betreuungspersonen für zuhause. Im Visier hat es ungelernte Angehörige.

image

«Der Pflegeberuf braucht eine Imagekorrektur»

Bis Ende dieses Jahrzehnts braucht die Schweiz 30 Prozent mehr Pflegefachpersonen. Das Dilemma: die Ausbildungszahlen stagnieren oder sind gar rückläufig.

image

Pflegepersonal demonstriert gegen Künstliche Intelligenz

Pflegekräfte in den USA schliessen sich streikenden Autoren und Schauspielern an, um ihre Besorgnis über Künstliche Intelligenz (KI) zum Ausdruck zu bringen.

Vom gleichen Autor

image

Urologie: 44 Spitäler wollten – diese 27 dürfen

In der Hochspezialisierten Medizin (HSM) wurden neue Leistungsaufträge vergeben – diesmal für zwei komplizierte Urologie-Operationen.

image

Nun steigt der Bestsmile-Gründer auch bei der Fortpflanzung ein

Ertan Wittwer hat schon viele Praxisketten gegründet. Seine neuste Idee: ein Unternehmen, das Fortpflanzungsmedizin anbietet.

image

Schweizer Ärzte haben zu wenig Zeit und fühlen sich überlastet

Der Personalmangel im Gesundheitswesen habe schwere Folgen, finden die Ärzte. Sie sorgen sich um die Patienten – und um die eigene Gesundheit.